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Am nächsten Tag hatte sie rote Augen und dunkle Schatten darunter. Ihr Haar stand in alle Richtungen weg und sie sah nicht gesund aus. Sie fühlte sich auch nicht gut. Am liebsten würde sie da bleiben. Aber sie wollte es nicht, genauso wenig wollte sie aber in die Schule gehen.
Seufzend zog sie sich aus und stieg unter die Dusche, um sich aufzuwärmen. Nachdem sie sich angezogen hatte, zog sie sich Schuhe und Jake an, schulterte ihre Tasche, schlich sich nach unten und nahm sich eine Mandarine. Dann huschte sie nach draußen und machte sich auf den Weg zur Schule.
Es war kalt und der Wind fuhr durch ihre noch feuchten Haare. Er riss bunte Blätter mit sich und wirbelte sie durch die Lüfte, um sie dann auf die Straße fallen zu lassen, wo sie dann wieder von vorbeifahrenden Autos aufgewirbelt wurden.
Linda hatte ihr Gesicht im Schal vergraben und starrte vor sich hin. Sollte sie zu dem Augenarzttermin hingehen? Aber sie war schon öfters mit ihrem Vater dort gewesen und es hatte nichts gebracht. Ihre Augen schienen vollkommen in Ordnung zu sein. Nicht einmal eine Brille brauchte sie. Sie seufzte erneut und schlang die Arme um ihren Körper.
Nein, sie würde nicht hingehen. Nur weil Marie es sagte, musste sie es noch lange nicht tun.
Als sie dann an der Schule angekommen war, waren es noch fünf Minuten bis zum Unterrichtsbeginn. In der ersten Stunde hatten sie Geologie. Also machte Linda sich auf den Weg zum Klassenzimmer und setzte sich an die Wand. Es war noch keiner da, doch plötzlich wurde die Tür aufgerissen und eine Schar Mädchen kam herein.
Unter ihnen war auch Annita, die Linda zuerst gar nicht bemerkte, dann lachte sie auf und ließ ihre Tasche neben Linda fallen.
"Guten Morgen!", trällerte sie und drehte sich zu ihr herum. Diese sah nur müde auf und nickte.
"Morgen."
"Meine Güte, Linda! Wie siehst du denn aus!"
"Was? Wieso?"
Sie hob den Kopf und begegnete Annitas Blick.
"Was ist mit ihr passiert? Sieht ganz so aus, als hätte sie die ganze Nacht durchgeweint. Hat sie Probleme daheim? Oder Liebeskummer?"
Linda lächelte schwach und sah weg.
"Nein, mir geht's gut."
"Das sieht aber nicht so aus", protestierte Annita lautstark und wollte aufstehen, als ihr Lehrer hereinkam.
"Guten Morgen", begrüßte er sie alle und Annita musste sich wohl oder übel wieder setzen.
"Willst du nicht zu deinen Freundinnen hinter?", fragte Linda sie leise und deutete mit dem Daumen über ihre Schulter, wo die Mädchen aus Annitas Clique saßen und miteinander tuschelten. Vermutlich wieder über den jungen Geo-Lehrer.
Annita sah sie an und hob eine Braue. "Nein. Ich bleibe hier sitzen und mir ist egal, was du sagst. Es kann doch nicht sein, dass du immer allein sitzt! Außerdem..."
"Entschuldige. Ich unterbreche euer Gespräch nur ungern, aber ich würde gern mit dem Unterricht anfagen", unterbrach Herr Feber sie und tat dann, was er gesagt hatte.
Linda atmete tief durch und lehnte sich im Stuhl zurück, während sie vorgab, dem Unterricht zu folgen. Sie wusste wirklich nicht, was sie mit diesem Mädchen anfangen sollte. Sie schien sie regelrecht zu verfolgen. Wieso ließ sie Linda nicht einfach in Ruhe? Dann wäre das für sie beide viel einfacher. Sie seufzte und musste ein Husten unterdrücken.
Es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis die erste Stunde vorüber war, und Linda machte sich auf in die Bibliothek, denn sie hatte eine Freistunde.
"Hey, kann ich mitkommen? Ich war da noch nie und würd's auch mal gern sehen", meine Annita grinsend und schloss sich Linda an, ohne auf ihre Antwort zu warten.
"Klar", murmelte diese und gemeinsam gingen sie in die Biblo, wo noch nicht viele Schüler waren. Sie setzten sich an eine Tischgruppe und Annita ließ sich Linda gegenüber nieder.
Linda kramte irgendein Buch hervor und blätterte lustlos darin herum.
"Also, erzähl mal", platzte Annita hervor und lehnte sich vor. "Du hast Liebskummer, stimmt's?"
Linda verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht umhin und ein wenig lächeln.
"Nein."
"Ok, dann hast du vielleicht Stress daheim?"
Linda sah auf und starrte ihr direkt in die Augen. Reine Neugierde und ein wenig Besorgnis erfüllte sie.
"Ja."
Sie wusste nicht, weshalb sie es zugegeben hatte. Vielleicht wollte sie nur jemanden haben, mit dem sie darüber sprechen konnte? Sie schüttelte leicht den Kopf und sah weg.
"Scheiße, wirklich? Hey, du kannst mir echt alles erzählen. Vielleicht kann ich dir sogar..."
"Wieso tust du das?", unterbrach Linda sie, ohn sie anzusehen. "Wieso redest du mit mir? Du hast doch Freunde, mit denen du abhängen kannst."
"Du bist immer allein. Ich hab dich noch nie mit jemandem rumhängen gesehen."
"Du hast also Mitleid mit mir? Das kannst du dir sparen."
"Nein, ich will nur befreundet mit dir sein. Ist das so schlimm?"
Nun sah Linda doch auf. In Annitas Augen lag reine Wahrheit. Und in ihren Gedanken konnte sie auch keine Lüge hören.
"Ich weiß nicht. Ich bin anders und ich glaube nicht, dass dir meine Geheimnisse gefallen, die ich habe. Sie würden dich nur abschrecken und dann bin ich wieder allein. Was bringt das also?"
"Du weißt gar nicht, wie viel es wert ist, eine gute Freundschaft zu haben."
Linda hob eine Augenbraue. "Das sagt gerade die richtige. Du hast nicht zufällig bemerkt, dass diese Michelle dich von vorn bis hinten verarscht und dich eigentlich abgrundtief hasst?"
Überraschung legte sich auf Annitas Gesicht. "Woher weißt du das?"
Linda zuckte mit den Schultern. "Ich hab doch gesagt, ich habe Geheimnisse."
"Egal. Ich mag Michelle auch nicht besonders, aber das ist jetzt nicht wichtig."
"Du wirst es bereuen, das kann ich dir versprechen."
Annita grinste breit. "Überlass das mir."
Linda schüttelte lächelnd den Kopf und seufzte. "Du bist wirklich ein merkwürdiges Mädchen, Annita."
"Danke", lachte diese.
Irgendwie fühlte Linda sich gut. Na ja, besser als zuvor, aber doch irgendwie anders. Sie schielte zu Annita hinüber, die gerade mit einem Jungen sprach, den sie anscheinend kannte. Sie war hübsch und selbstbewusst. Obwohl sie es Linda erklärt hatte, konnte diese sich immer noch nicht wirklich zusammenreimen, weshalb sie sich mit einem Mädchen wie Linda abgeben wollte.
Aber es würde sicher interessant werden.

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