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Back All (5)

Während sie sich ihren gewohnten Platz am Fenster erkämpfte, dachte sie darüber nach. Ihr Vater hatte eine Brille, die er kaum trug. Eine hässliche, dicke Hornbrille. Aber sie musste ja nur mal testen, ob das überhaupt funktionierte. In ihr regte sich etwas, das sich wie Hoffnung anfühlte. So etwas hatte sie schon lange nicht mehr gespürt.
Der Lateinunterricht war tödlich langweilig, obwohl sie doch einiges mitbekam und sich sogar einmal gemeldet hatte, um einen ihrer kaum verständlichen Unterrichtsbeiträge abzuliefern.
Am Ende stürtem sie alle in die Pause und Linda war mal wieder die Letzte, die das Klassenzimmer verließ. Sie schlenderte in Richtung Schließfächer und kramte währendessen ihren Schlüssel aus den Untiefen ihrer Schultasche. Sie hasste es, wenn sie ihren Schlüssel nicht fand.
Als sie ihn dann endlich in Händen hielt, wurde sie heftig von hinten angerempelt und ihr flog der Schlüsselbund aus den Händen. Und landete direkt vor ein Paar schwarzen Stöckelschuhen.
"Huch!", hörte sie jemanden ausrufen und eine Hand mit roten Fingernägeln langte nach dem Schlüssel und hob ihn auf. Dünne Beine, eine schwarze Leggins, ein dunkles Shirt, das knapp über den Hintern reichte und einen tiefen Ausschnitt hatte. Dunkelbraunes, gewelltes Haar und einen rot angemalten Mund.
"Gehört der dir?", fragte das Mädchen und hielt ihr den Schlüssel hin. Linda nickte und nahm ihn.
"Danke."
"Kein Problem. Manche Schüler sind wirklich unhöflich, findest du nicht?", trällerte die Stimme weiter und die Hand legte sich auf die Hüfte. Linda lächelte schwach und nickte.
"Ja. Das stimmt wohl." Sie schloss ihren Spind auf, zog ein paar Bücher heraus und schloss ihn dann wieder. Das Mädchen stand immer noch vor ihr und Linda fragte sich bereits, was sie eigentlich von ihr wollte. Niemand redete mit ihr. Das war schon immer so gewesen. Keiner wollte mit ihr reden und jeder, der es doch tat, wurde als Außenseiter abgestempelt und gehänselt. Und wieso sollte sich jemand mit ihr unterhalten wollen? Sie sah ihnen ja grundsätzlich nicht in die Augen.
Doch dann erinnerte Linda sich daran, was ihr noch vor einer Stunde durch den Kopf gegangen war.
Langsam hob sie den Kopf und blickte dem Mädchen in die Augen. Sie waren dunkel - wie fast alles an ihr - und sehr groß.
Natürlich hatte Linda sich für irgendeine Art Veränderung ihrer derzeitigen Gefühle gewappnet, aber dennoch überkam sie ein freudiges Gefühl und helle Gedanken durchströmten ihren Geist.
"Sie sieht ein bisschen zerrupft aus. Kämmt sie sich in der Früh? Aber sie hat schöne Augen. Mit ein bisschen Wimperntusche und Maskara könnte man da noch viel mehr draus machen. Sie ist so blass. Vielleicht noch ein bisschen Rouge, dann kommt da mehr Pepp rein."
Linda musste sich ein Lachen verkneifen, als sie die Gedanken des Mädchens in ihrem Kopf hörte. Sie hörte sich an, als wäre Linda eine Versuchspuppe, an der man verschiedene Schminktechniken ausprobieren könnte.
Aber kein einziger feindseliger Gedanke.

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