ID i5djrp
Am nächsten Tag wachte Sam früh auf. Eigentlich hatte sie gar nicht richtig geschlafen. Das Bett war zu weich und das Zimmer zu groß. Es war zu hell und laut. Kurz bevor sie zu Bett gegangen war, hatte sie noch ihren Bruder Leo angerufen, um ihm zu versichern, dass sie eine angemessene Unterkunft hatte und es ihr gut ging. Also echt, manchmal machte er sich einfach viel zu viele Sorgen.
Das Gästezimmer, das Martina ihr zugewiesen hatte, war groß. Riesig groß. Sam hätte nie geglaubt, dass das nur ein Gästezimmer sei. Es gab einen großen Schreibtisch (mit Laptop!) und einen begehbaren Kleiderschrank. Ihr eigenes Badezimmer hatte sie auch. Sam konnte es kaum fassen.
Nachdem sie sich geduscht und frische Sachen angezogen hatte, ging sie nach unten in die Küche, wo sie eine fremde Dame vorfand, die sie neugierig ansah.
"Ah, guten Morgen. Sie müssen Samantha sein, nicht wahr?", begrüßte die Frau sie und lächelte sie an. "Tut mir Leid, ich würde Ihnen ja gern die Hand geben, aber ich wasche gerade ab." Und sie hob die Hände, die in gelben Gummihandschuhen steckten.
Sam lächelte zurück. "Kein Problem. Ähm...woher wissen Sie denn, dass ich Sam bin?"
"Martina hat es mich gestern Abend angerufen und gesagt, ich müsse heute ein Festmahl herichten, um ihre Freundschaft zu feiern", erklärte die Dame amüsiert.
"Oh. Ok", erwiderte Sam und setzte sich auf einen der Barhocker. "Wie heißen Sie denn, wenn ich fragen darf?"
"Natürlich dürfen Sie das. Ich bin Pia, die Haushälterin."
"Freut mich."
"Mich ebenfalls", sagte die Frau und lächelte Sam über die Schulter zu. "Wenn ich hier fertig bin, kann ich dir was Leckeres zum Frühstück kochen, wenn du willst."
Sam hob abwehrend die Hände. "Das ist echt nett, aber das müssen Sie nicht machen."
"Meine Liebe, ein gesundes Frühstück am Morgen ist sehr wichtig. Ich werde Ihnen etwas machen."
Und damit hatte sich das geklärt.
Es stellte sich heraus, dass Sam in Pia eine wunderbare Gesprächspartnerin gefunden hatte, die sich wunderbar auf Multitasking verstand. Während sie sich über alles mögliche unterhielten, bereitete sie ihr ein Müsli zu, von dem Sam nie zu träumen gewagt hätte. Müsli war vielleicht nicht das Originellste, das man zum Frühstück essen konnte, aber es war einfach nur noch lecker.
Sam fühlte sich schon viel besser.
Nachdem sie sich voll gegessen hatte, erschien auch schon Martina in der Küche. Sie sah düster aus, in all dem Schwarz.
"Morgen", murmelte sie noch ein wenig verschlafen und Pia machte sich daran, eine Tasse Kaffee zuzubereiten.
Aha. Ein Morgenmuffel also, schlussfolgerte Sam und lächelte ein wenig.
"Guten Morgen. Was hast du denn heute so vor?", fragte Sam und stellte die Schüssel zurück in die Spüle.
"Zur Schule gehen", antwortete Martina und schlürfte genüsslich an ihrem Kaffee.
"Du gehst noch zur Schule?"
"Ja. Ich hab nächstes Jahr mein Abi", erklärte sie und sah Sam an. "Was hast du vor?"
"Ich werde mich mal umhören, wo es einen gut bezahlten Job gibt. Ich werde auch in der Zeitung nachschauen und im Internet sowieso."
"Schön", murmelte Martina erneut und vergrub sich dann hinter ihrer großen Tasse. Pia warf mir ein Lächeln zu und sagte dann: "Ich werde für heute Abend ein wunderbares Festessen zubereiten, wie Sie es wollten, Martina."
Diese nickte nur und sagte dann: "Ich geh dann mal. Bis später, Leute."
Die beiden sahen ihr hinterher.
"Ein Morgenmuffel", sagten sie wie aus einem Munde und lachten.
"Schätzchen, wenn du Probleme bei deiner Jobsuche hast, kann ich dir dabei vielleicht helfen. Mein Bruder arbeitet in einer Buchhandlung, die ziemlich bekannt ist."
"Vielen Dank, aber ich will zuerst selbst versuchen, etwas zu finden."
"Natürlich." Sie lächelte und machte sich daran, das Geschirr abzuspülen.
Dann ging Sam auf ihr Zimmer und durchwühlte das Internet. Es gab ziemlich viele Stellenangebote und sie schrieb sich einige Adressen heraus. Dann ging sie in die Stadt, um sich Bewerbungsmappen und alles, was man dafür eben benötigte, zu kaufen.
Es war bereits später Nachmittag, als sie erschöpft auf ihr Bett fiel und die Gliedmaßen von sich streckte.
"Jobsuche ist total anstrengend", sagte sie gegen die Decke und schloss dann seufzend die Augen.
Ihre Gedanken drifteten zu ihrem Bruder ab. Hoffentlich kam er auf dem Hof auch klar. Sie hatten zwar zwei Knechte, aber trotzdem machte sie sich Sorgen. Vermutlich genau so wie er sich um sie sorgte. Sie lächelte und schlief wenige Minuten später ein.
Als sie wieder erwachte, war es dunkel im Zimmer. Sie schrak hoch und sah sich um. Von unten drangen Stimmen und Gelächter zu ihr herauf. Sie stand auf und brachte ihr Haar in Ordnung, bevor sie das Zimmer verließ und nach unten ging.
"Hey, da ist sie ja!", rief Martina aus und zog Sam hinter sich her, als die ins Wohnzimmer getreten war. Auf dem Sofa und auf den Sesseln saßen ein paar Jugendliche, die Sam neugierig musterten.
"Leute, das ist Sammy, meine verschollene Freundin aus Kindertagen", stellte Martina das Mädchen vor. "Sam, das sind Freunde aus meiner Schule." Der Reihe nach stellte sie sie vor, aber Sam konnte sich die ganzen Namen nicht merken. Sie lächelte nur freundlich und erwiderte die vereinzelten Hallos und Wie-geht's?
Dann setzten sie sich und warteten, bis Pia das Essen servierte. Sam entschuldigte sich kurz und ging in die Küche, wo Pia bereits - wie versprochen - ein Festessen aufgetischt hatte.
"Hat Martina dir gesagt, dass sie Freunde mitbringt?", fragte Sam und half ihr, die Teller und Gläser ins Esszimmer zu bringen.
"Das kommt öfters vor. Ich bin ziemlich gut im Improvisieren", erklärte Pia und lächelte, aber in ihren Augen lag nichts Humorvolles.
Sam nickte stumm.
Sie hätte nicht gedacht, dass Martina sich derart verändert haben könnte. Sie hatte immer noch das gleiche Bild der netten kleinen Martina im Kopf, aber es schien, dass die Menschen sich mit den Jahren doch zu sehr veränderten.
Hatte Sam selbst sich auch verändert, ohne es gemerkt zu haben? Sie seufzte und trug eine Salatschüssel ins Esszimmer.
ID i5djrp, 169 months ago
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