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Das übliche Ritual.
Ich liege im Bett. Die Nachttischlampe brennt. Gut. Keine Panik, die Tür ist ja noch auf.
"Papa, ich bin fertig!"
"Ja, ich komm' gleich! Hast du Mutti schon Gute Nacht gesagt?"
Pff, Mutti. Wie ich das hasste. Sie war nicht meine Mutti. ICH habe eine MAMA. Widerwillig stand ich auf. Ging in die Küche.
"Gute Nacht."
Sie drehte sich um. Sie schien nicht zu bemerken, dass sie nackt war. Ecklig.
Sie zerdrückte mir fast die Hand und gab mir einen spitzen Kuß auf die Wange.
Wieder im Bett, setzte sich Papa an meine Seite.
"Hast du deinen Ranzen gepackt? Ich möchte nicht wissen, wie's dadrin aussieht. Deine Brote hast du wohl wieder unterm Bett versteckt? Wenn du von der Schule kommst kannst du wirklich mal Staubsaugen, Mutti ärgert sich sonst wieder. Gute Nacht."
Nach dem obligatorischen Kuß rutschte die Tür ins Schloß.
Hundemüde. Herzrasen.
Okay, das Licht scheint noch unter der Tür durch. Ich höre den Fernseher in der Stube. Mit dem Rücken an der Wand und der Hand am Lichtschalter der Nachttischlampe schlafe ich ein.

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Ich bin in einem Wald. Die Bäume stehen so dicht, dass ich gerade bis zur zweiten Reihe sehen kann. Stehen kann ich nicht, da die ersten Äste einen Meter über dem Boden ein undurchdringliches Dickicht bilden. Kriechend bewege ich mich vorwärts.
Es geht los.
Ich weiß, dass etwas hinter mir ist. Nichts zu sehen, nichts zu hören, aber es kommt. Schneller zwänge ich mich durch die Baumstämme. Es - ist schneller. Jetzt höre ich es schnaufen. Krallen kratzen am Waldboden. Äste brechen unmittelbar hinter mir.
Angst gipfelt in Verzweiflung. Dann soll es mich eben fressen. Jetzt und hier, dann ist es vorbei.
Meine Beine katapultieren mich in die Höhe. Riesengroß bin ich. Die Arme hochgestreckt renne ich in Richtung Vernichtung. All meine Panik schreit aus mir heraus.
"Warum! Was willst du von mir!"
Ich Blicke in die schwarzen Augen eines mächtigen Wolfes. Er hält inne, weicht zurück und ist - weg.
Eigenartig. Normalerweise ist der Moment des Aufeinandertreffens das Signal zum Aufwachen.
Ruhe. Stille. Absolute Geräuschlosigkeit. In einem Wald ist es nie so ... tot?
Noch beängstigender als gejagt zu werden ist die Erkenntnis, einzigste Seele auf Erden zu sein.
Ich setze mich auf meine Fersen und mache mich klein und plötzlich merke ich ... eine kalte Hand liegt auf meiner Schulter. Einen Herzschlagspäter sind meine Muskeln zum reißen gespannt.
Ich liege in meinem Bett. Dunkelheit. Meine Hand liegt nicht mehr am Lichtschalter. So lange ich mich nicht bewege, kann mich nichts bemerken. Ich muß schnell sein. Mein Herz übertönt die Stille.
Da!
Schritte!
Meine Hand schnellt zum Schalter!
Ein Schatten verschwindet unterm Bett!
Endlich. Licht.

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