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Hallo!
Mein Name ist Anna.
Ich bin 14 und ich bin tot.
Ja, richtig.
T - O - T.
Tot. Töter. Am Totesten.
Wie es dazu kam?
Ganz einfach, passt mal auf!

Ich war ein ganz normales Mädchen. Hatte Freunde und Familie.
War immer hilfsbereit und freundlich. Nie mies gelaunt, hatte immer ein Lächeln auf den Lippen.
War gut in der Schule und machte nie Ärger.
Kurzum.
Ich war ein Musterkind! So eins, wie es sich alle Eltern wünschen.
Und ich war glücklich! Schließlich war ich ja perfekt, oder?

Tja, nun war mein Leben nicht ganz so rosig, wie es hätte sein können.
Denn in meinem Leben gab es leider noch Julie.
Meine dämliche, große Schwester.
Sie war das genaue Gegenteil von mir und ich mochte sie eigentlich nicht. Obwohl ich das natürlich nie jemandem gesagt hätte, nein! Dazu war ich einfach nicht erzogen worden. Meine Eltern hatten mir immer eingebläut, immer freundlich und höflich zu sein und nie ein schlechtes Wort über andere Menschen zu verlieren!
Tja, und brav (dumm) wie ich war, tat ich alles, was sie sagten.
Also sagte ich nie etwas gegen meine Schwester und verpetzte sie auch nie bei meinen Eltern. Obwohl sie es oft verdient hätte.
Dafür ignorierte sie mich entweder vollkommen oder sie machte sich einen Spaß daraus mich zu quälen.
Und wenn ich es nun recht bedenke, war sie wohl eigentlich auch daran schuld, dass ich gestorben bin.
Ich konnte einfach nicht nein sagen, wenn sie mich um etwas bat. Und so sagte ich auch nichts, als sich mich am 11. November aus reiner Boshaftigkeit losschickte um ihr und ihrem derzeitigen "Freund" Zigaretten zu kaufen. Bei strömenden Regen wohlgemerkt!
An diesem Tag tobte das wohl heftigste Gewitter, das ich in meinem ganzen Leben je erlebt hatte!
Wenn man mal meine kurze Lebensspanne außer Acht lässt natürlich.
Jedenfalls konnte man durch den strömenden Regen kaum zwei Meter weit sehen.
Trotzdem schickte sie mich, ihre kleine Schwester, nach draußen.
Da der Zigarettenautomat gleich bei uns um die Ecke kaputt war - irgendjemand hatte anscheinend versucht ihn aufzubrechen - musste ich fünf Blocks weiter laufen als normal.
Schon nach den ersten beiden Blocks war ich bis auf die Knochen durchgeweicht. Aber als gute Schwester und Musterkind ging ich trotzdem weiter und schaffte es tatsächlich noch heil bis zum Automaten.
Tja, und dann war es soweit.
Ich drehte mich um und machte mich schon auf den Rückweg, als ich plötzlich das Quietschen der Reifen hörte, mich noch umdrehte, den Wagen auf mich zurutschen sah und im nächsten Moment als es dann Krachte auf einmal neben mir zu stehen.
Ja richtig. Neben mir!
Denn kaum war ich gestorben, stand ich schon als Geist neben dem demolierten Auto, das mich gerade überfahren hatte.

So war das.
Und jetzt bin ich also immer noch hier und beobachte alle meine Freunde und meine Familie wie sie jetzt ohne mich weiter machen.
Und was ich da alles sehe, das gefällt mir überhaupt nicht!
Also habe ich jetzt einen Entschluss gefasst!

Ich sehe nämlich alles!

Also Schluss mit nettem Mädchen!
Jetzt kann ich nämlich endlich all das tun und sagen, was mir schon seit Jahren durch den Kopf geht!
Jetzt kann ich mich endlich für all das rächen, was mir sie mir angetan haben und was sie jetzt noch tun!
Und glaubt mir, wenn ihr sehen könntet, was ich sehe wärt ihr ganz meiner Meinung!
Jetzt mache ich ihnen das Leben zur Hölle!
Denn:
Hey! Was kann mir schon noch groß passieren?
Ich bin tot!

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So, als erstes mach wir am besten einen kleinen Abstecher zu mir nach Hause. Da kann ich euch dann gleich mal meine Eltern vorstellen.

Also.
Mein Vater heißt Klaus.
Er ist 46 Jahre alt und Professor an der Uni. Er unterrichtet Geschichte oder so etwas. Irgendetwas total Langweiliges eben, darum hab ich auch nie zugehört, wenn er davon erzählt hat.
Zu seinem Aussehen kann man eigentlich nicht viel sagen.
Er ist klein, dick und glatzköpfig.
Und meiner Meinung nach, ist er auch ziemlich hohl in der Birne.
Ich hab wirklich keine Ahnung, wie er Professor werden konnte. Wahrscheinlich hat er bei den Prüfungen immer geschummelt, genauso wie er immer beim Karten spielen bescheißt!
Jedenfalls ist er immer furchtbar beschäftigt und muss ständig bis tief in die Nacht in der Uni bleiben, weil entweder noch irgendwelche Prüfungen korrigiert werden müssen oder irgendwelche Studenten noch Fragen haben.
Und meine Mutter sitzt in der Zeit allein zu Hause.
Ach ja, ihr Name ist Marianne.
Sie ist 42, hat eine Topfigur und sieht noch echt gut aus!
Ihre langen, braunen Haare trägt sie immer zu einem Zopf geflochten.
Früher soll sie angeblich mal gemodelt haben, was ich allerdings nur für ein Gerücht halte, schließlich ist sie total unfotogen!
Aber Eltern lügen ja generell mal ganz gern, um ihren Kindern zu gefallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich angelogen hat, ist also relativ hoch.
Meine Mutter arbeitet als Redakteurin bei einem großen Klatschmagazin. Allerdings wurde noch nie etwas von ihr veröffentlicht.
Soweit ich weiß wird sie von allen für total untalentiert gehalten, also besteht ihre einzige Aufgabe darin, die Texte der Anderen auf Fehler zu korrigieren und ihnen Kaffee und Brötchen zu holen.
Seit ein paar Monaten geht sie regelmäßig zu einem Fitnesskurs, der immer in der Turnhalle meiner Schule stattfindet. Und hin und wieder ist auch mal schwimmen angesagt.
Angeblich um etwas für ihre Gesundheit zu tun!
Wer’s glaubt wird selig.

So, das sind also meine Eltern.
Alles in allem, sind sie zwar recht lieb, haben aber nie für einen Zeit und sind immer schwer beschäftigt.
Und jetzt wollt ihr doch sicher noch wissen, warum ich ihnen ihr Leben zur Hölle machen will, oder?
Tja, das kann ich euch sagen!
Wir sehen uns jetzt mal an, was ich drei Tage nach meiner Beerdigung bei mir zu Hause gesehen habe!

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Meine Beerdigung war irgendwie seltsam. Ich meine, da stand meine ganze Familie, meine Freunde, sogar meine Lehrer und ein paar Verwandte, die ich kaum kannte, und weinten sich die Augen aus dem Kopf. Der Pfarrer murmelte etwas davon, wie tragisch und viel zu früh ich aus dem Leben gerissen wurde, und ich stand mitten unter ihnen. Naja, eben nicht richtig, weil sie mich ja nicht mehr sehen konnten, aber ich sah sie alle und fragte mich, was da wohl in meinem Sarg liegt, wenn ich hier stehe, als mir mal wieder auffiel, dass ich ja keinen Körper mehr habe.
Wie mir das aufgefallen ist? Ich wollte meine Schwester schubbsen, fiel aber glatt durch sie hindurch. Ich muss mir echt noch einfallen lassen, wie ich mich besser bemerkbar machen kann. Korrigiere: Wie ich mich überhaupt bemerkbar machen kann, denn anders werde ich ja wohl kaum dafür sorgen können, dass sie alle bekommen, was sie verdienen!

Also, drei Tage nach meiner Beerdigung stöberte ich lustlos bei uns zuhause herum. Es ist echt ätzend, wenn man zusehen muss, wie die eigene Schwester in deinen Sachen herumwühlt und du nichts dagegen tun kannst! Dabei futterte sie auch noch meine Jelly Beans auf, die meine beste Freundin Lilly mir aus Amerika mitgebracht hatte. Klar gibt es die hier auch überall, aber nicht in der Auswahl und schon gar nicht so günstig! Ich hatte glatt ein Kilo von den Dingern bekommen und war sehr sparsam damit. Am liebsten mochte ich Lakritz mit Melone, klingt abartig, aber ihr solltet das echt mal versuchen!
Dann kam auch noch der bekloppte Freund meiner Schwester in mein Zimmer, und gemeinsam guckten sie meinen Wäscheschrank durch. Hallo, gehts noch?! Das sind meine Unterhosen, die gehen euch gar nichts an! Der blöde Typ kicherte die ganze Zeit, und ich vermute schwer, dass meine Schwester ihn noch nicht an ihre Wäsche gelassen hat. Erstaunlich, wenn ich bedenke, was Julie sonst alles mit den Typen machte. Nee, daran will ich nicht mal denken, davon wird mir sogar im Jenseits schlecht!
Tja, und dann kam Mam nach Hause und rief nach Julie, woraufhin sie und der Typ ganz schnell mein Zimmer verließen. Wurde ja auch Zeit!

Mam sah richtig fertig aus, und ich begriff, dass das wohl mit meinem Tod zu tun hatte. So ganz hatte ich mich noch nicht daran gewöhnt, dass ich nicht mehr lebte, Mam aber ganz sicher auch nicht.
"Julie, kannst du bitte das Abendbrot machen? Ich fühle mich nicht gut."
"Muss das sein?", maulte meine Schwester. Fehlte nur noch, dass sie "nur, weil Anna tot ist, muss ich jetzt alles machen" hinzufügte. Blöde Kuh, du bist schließlich Schuld daran!
Mam warf ihr einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete, und sie fügte sich maulend. Mein Dad kam wie immer nicht zum Essen, und ich wurde neugierig. Ein Vorteil vom Totsein ist, dass man sich extrem schnell bewegen kann. Ich musste nur "Papas Büro" denken und war schon da. Aber das, was er dort machte, würde ich nicht unbedingt als Arbeit bezeichnen.

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