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Der Clown
Vergnügt und unbeschwert schlendert Ilona Mansfield an diesem Mittwochmorgen um 9 Uhr, den Flur des Joaquin Community Hospital in Bakersfield, entlang. Ihre jugendliche Erscheinung lässt nicht vermuten, dass sie die 30 schon längst überschritten hat. Sie lächelt immer, keiner hat sie je anders gesehen. Das Strahlen ihrer Augen kann sie nicht abstellen und alle die ihr begegnen und seien sie noch so schlecht gelaunt, werden davon angesteckt.
Man kennt sie und wundert sich nicht mehr über ihre etwas merkwürdige Kleidung, zur Zeit der Blumenkinder wäre sie so nicht aufgefallen. Es ist ihr Markenzeichen und es steht ihr ausgesprochen gut. Ihre auffällig roten Haare und ihr etwas zu weiser Teint lassen ihre irische Abstammung nicht verleugnen, dazu ihre grazile Gestalt, bei der jeder Mann versucht ist, einen zweiten Blick zu riskieren.
Auch der verschlissene kleine Lederkoffer, den sie immer mit sich herumschleppt, passt gut zu ihrem Outfit und sie hat lange nach ihm gesucht, bis er sie schließlich gefunden hat. Gegenstände, die zu einem hundertprozentig passen, sagt sie, kann man nicht finden, sondern man wird von den Gegenständen selbst gefunden. Wenn man die Suche schon längst aufgegeben hat, liegen sie eines Tages vor einem, einfach so.
Sie ist gekommen, wie sie es jeden Mittwoch tut, um den Kindern ein wenig Freude zu bereiten und wird bestimmt schon sehnsüchtig von ihnen erwartet.
Als sie jedoch an einer offenstehenden Tür zu einem Patientenzimmer vorbeigeht, stoppt sie abrupt. Mit der Sehnsucht kann es nicht soweit bestellt sein, geht es ihr durch den Kopf.
In dem Zimmer sitzen, auf den Betten verteilt, mehrere Kinder, die einem Mann gespannt zuhören, der vor einem Krankenbett eines Kindes sitzt und aus einem Buch vorliest.
Ilona ist verwundert, will etwas sagen und sagt es dann aber doch nicht. Alle Augen der Kinder sind nur auf diesen Mann gerichtet. Mit seiner sonoren Stimme nimmt er auch Ilona gefangen, die kurz darauf ihren Kopf an den Türrahmen lehnt und sich mitnehmen lässt. So steht sie eine ganze Weile da und erschrickt, als sie merkt, dass ihr die Zeit davon gelaufen ist. Sie sieht auf die Uhr, in einer halben Stunde ist ihr Auftritt, ihr Auftritt als Clown.
Es fällt ihr schwer, sich loszureißen, etwas Gedanken-
verloren geht sie dann aber doch weiter.
Daniel Bixby, der seit vier Tagen, jeden Morgen in das Krankenhaus kommt, um seinen Sohn, nach einer schweren Operation, ein wenig abzulenken, hat die Kinder der Station um sich geschart.
Zuerst war es nur ein kleines Mädchen, dass verschüchtert und verstohlen von der Tür aus zuhörte und dann sofort wieder verschwand. Es dauerte aber nicht lange und sie kam wieder. Um ihre Schüchternheit zu überwinden, hatte sie sich Verstärkung mitgebracht.
Immer wenn Daniel nicht in ihre Richtung sah, kamen die beiden einen kleinen Schritt näher, bis sie auf dem leeren Bett, ihm gegenüber, saßen.
Am nächsten Tag waren es schon sieben. Daniel störte es nicht, sie saßen nur ganz still da und hörten ihm zu.
Dass heute ein Clown auftritt, hat man ihm gesagt und er hat deswegen auch eine Stelle mitten in der Geschichte gewählt, die gut ist, um die Spannung bis zum nächsten Tag zu halten.
»So Kinder, für heute ist es genug, Morgen geht die Geschichte weiter. - Enttäuschtes Murren geht durch die Reihen. - Habt ihr vergessen, der Clown ist da.«
Das genügte und war wie ein Startzeichen loszuspurten und den Flur entlangzurasen, jeder so schnell er konnte. Man musste sich wundern, was diese Kleinen sich alles einfallen lassen, um ihr Handicap auszutricksen.
Die Stimmen der Kinder verhallen im Flur. Daniels Sohn ist schon während der Geschichte eingeschlafen.
Daniel steht auf, schließt das Buch und gibt seinen Sohn noch einen Kuss.
Wenn es seinem Kind wieder besser geht, hat man ihm gesagt, würde man das Bett in den Raum schieben, in dem der Clown seine Vorführung macht, aber in seinem jetzigen Zustand, verkabelt mit zig Geräten, geht das noch nicht.
Den Clown würde er sich aber doch gerne mal aus Neugierde anschauen, ob das möglich wäre, hatte er gefragt. Natürlich, hat die Krankenschwester ihm versichert, meist sind auch Eltern, die ihre Kinder auf dem Schoß haben anwesend und sehen zu und glauben sie nicht, dass die sich langweilen, strahlte die Schwester amüsiert.
Als Daniel den Flur entlang geht, ist unschwer zu erkennen, in was für einem Zimmer die Veranstaltung stattfindet. Lautes vergnügtes Kindergeschrei zeigt ihm akustisch den Weg.
Ilona macht gerade einen Seiltrick, als Daniel an der offenstehenden Türe ankommt. Ein hübscher Clown denkt er, schaut ihr eine Weile zu, kann aber das laute Gekreische der Kinder nicht aushalten und geht wieder.
Als sich Ilona nach ihrem Auftritt in der Toilette abschminkt, fragt sie eine Krankenschwester, die sich ebenfalls in der Toilette aufhält, nach dem Befinden des Neuzugangs. Sie wollte nicht sofort auf den Punkt kommen und nach dem Mann fragen, Frauen haben ein besonderes Gespür dafür und man sollte es aus Erfahrung möglichst vermeiden, eine Frage direkt zu stellen, deswegen hat sie etwas weiter ausgeholt. Aber wenn jemand mit allen Wassern gewaschen ist, hat auch das keinen Zweck.
»Ein gut aussehender Mann, der Herr Bixby« kam es wie aus der Pistole geschossen als Antwort. Ilona ist so verdutzt, das nur ein
»Wie bitte?« über ihre Lippen kommt.
»Herr Bixby, ein gut aussehender Mann, hab ich gesagt und auch noch Solo!«
»Wer ist Herr Bixby?«
»Sie haben doch nach dem Neuzugang gefragt, oder?«
»Aber wir sind doch hier in der Kinderabteilung.«
»Herr Bixby ist der Vater, mein Gott was ist denn mit ihnen los?«
Ilona schoss die Röte ins Gesicht und fühlt sich so was von ertappt, wie schon lange nicht mehr. Die Krankenschwester grinst sie auch noch wissend an, dabei.
»Ich habe eine Menge Kinder gesehen, als ich am Zimmer vorbeikam«, fährt Ilona fort.
»Das ging schnell, hat sich unter den Blagen herumgesprochen, wie ein Lauffeuer.«
Sie gibt immer Antworten auf Fragen, die noch nicht ausgesprochen sind, ein Phänomen, denkt Ilona.
»Das kann er gut«, sagt Ilona.
Die Krankenschwester schaut sie fragend an. Erwischt, denkt Ilona, mir kann sie anscheinend so auch nicht folgen.
»Was meinen sie mit, das kann er gut?« hakt die Krankenschwester nach.
»Das Vorlesen.«
»Hab ich doch gesagt, hat sich unter den Blagen schnell herumgesprochen.« Antwortet sie, fast ein wenig schnippisch.
»Ich hatte schon gedacht, er ist ein Konkurrent.«
Die Krankenschwester lacht. »Hab ihm auch schon zugehört, muss ich gestehen, seine Stimme, mein Gott.«
»Hab ich auch«, sagt Ilona und beide Lachen lauthals.
Als die Krankenschwester die Toilette verlässt, packt Ilona ihre Sachen zusammen, wirft sie in ihren kleinen Lederkoffer und verlässt ebenfalls die Toilette.
Wie sie im Flur an dem Zimmer von Herrn Bixbys Sohn wieder vorbeikommt, kann sie es sich nicht verkneifen, noch einmal hineinzusehen. Sie bleibt kurz im Türrahmen stehen und geht dann doch bis ans Ende des Bettes und liest den Krankenbericht, der am Bett hängt.
Beim Hinausgehen dreht sie sich an der Tür noch einmal um und betrachten den Jungen. Sie geht weiter, durch die große Schwingtüre am Flurende die Treppe hinunter und in die Cafeteria des Krankenhauses. Zum Abschluss gönnt sie sich immer ein Glas Wasser und einen Espresso.
An dem langen Speiseförderband nimmt sie nach der Bezahlung ihr Getränk entgegen und lässt ihren Blick, auf der Suche nach einem Platz, durch die Cafeteria schweifen.
Es sind viele Plätze frei, doch an einem Tisch sieht sie Herrn Bixby sitzen. Sie zögert nicht und geht zielstrebig auf den Tisch zu.
»Entschuldigung, ist hier noch ein Platz frei?« Sie bekommt keine Antwort. Gedankenversunken sitzt Herr Bixby da. Ilona will sich schon wieder abwenden, als Herr Bixby doch reagiert. »Wie bitte?«
»Ist hier noch ein Platz frei?«
»Aber bitte, selbstverständlich.« mit einer Handbewegung fordert er sie auf, sich zu setzen. Ilona schaut ihm offen in die Augen und nippt dabei an ihrem Kaffee. Er erkennt mich nicht, geht es ihr durch den Kopf. Als sie ihm beim Lesen zugehört hat, hat er sie nicht bemerkt. Aber als er bei der Vorführung an der Tür stand, hat er sie gesehen, aber da war sie als Clown geschminkt. Es führte zu nichts, sie musste ihn direkt ansprechen.
»Ich habe ihre Lesung mitverfolgt«, startet sie den Versuch, um die Konversation anzukurbeln. Daniel reagiert nicht sofort, aber dann schaut er sie doch fragend an.
»Im Krankenzimmer... oben auf der Station« erwidert Ilona, den fragenden Blick.
»Im Krankenzimmer auf der Station?« fragt Daniel verwundert nach
»Ja auf der Station, im Zimmer ihres Jungen.«
Er schaut noch etwas verwirrt und dann lächelt er.
»Entschuldigung, ich war total abwesend, natürlich, sie meinen das Geschichtenvorlesen im Krankenzimmer?«
»Ja.«
»Sie haben zugehört?« fragt er etwas ungläubig und lächelt sie an dabei.
»Ja.«
»Hören sie gerne Kindergeschichten?«
»Ja, sehr gerne sogar.«
»Als Erwachsene?«
»Warum nicht.« Entgegnet Ilona und lächelt wieder einnehmend.
»Entschuldigen sie, wenn mich das ein wenig verwundert aber...«
»Das braucht sie nicht zu verwundern,- fällt sie ihm ins Wort - mein Zuhören war nicht ganz uneigennützig. Lesen, insbesondere Vorlesen, interessiert mich aus beruflichen Gründen.«
»Aus beruflichen Gründen? - fragt Daniel verwundert - Entschuldigung, sie machen mich jetzt doch einwenig neugierig, in was für einem Beruf könnte ihr Interesse, Geschichten zuzuhören, von Nutzen sein?« Daniel lächelt sie dabei etwas belustigt an.
»Geschichtenerzähler zum Beispiel.« Antwortet Ilona und sie fühlt sich dabei etwas unwohl.
»Beruflich?... Geschichten erzählen?... Ist nicht ihr Ernst, oder? Gibt es so etwas überhaupt?« entgegnet Daniel ungläubig.
»Aber sicher, der Berufsstand erlebt eine Renaissance.«
»Ehrlich?«
»Ehrlich!« antwortet Ilona und lächelt einwenig unsicher.
Wie mag sie auf ihn wirken, geht es ihr durch den Kopf. Sie, als erwachsene Frau, Geschichtenerzähler, als Beruf? Für sie ist es bereits normal, aber auf Außenstehende scheint dieser Berufsstand befremdlich, exotisch zu wirken. Es scheint eine Frage des Intellekts zu sein, ob man es akzeptiert, oder nicht. Sie hat schon erlebt, dass man sich darüber lustig gemacht hat und es für sie richtig peinlich wurde und sie fluchtartig diese Gesellschaften verlassen hat.
Auch Herr Bixby schaut sie sehr ungläubig an.
Daniel kann ihr unsicheres Lächeln deuten und beschließt einfach sachlich zu bleiben. Diese sympathische Person, geht es ihm durch den Kopf, wie alt mag sie wohl sein? Wie kommt sie dazu, Geschichtenerzählerin als Beruf zu wählen?
»Wie kamen sie eigentlich dazu, so etwas zu machen?«
»Geschichten erzählen?« fragt Ilona nach.
»Ja.«
»Das hat mit meiner Studentenzeit zu tun. Studenten sind immer knapp bei Kasse, man nimmt so allerlei Jobs an, um sich über Wasser zu halten.« Sie wirkt am Ende dieses Satzes ein wenig verlegen, die Jobs haben nicht durchwegs Spaß gemacht. Erinnerungen steigen in ihr hoch.
»Was haben sie denn studiert?« hakt Daniel nach.
»Kunst« antwortet Ilona. Daniel bemerkt, dass Ilona ein wenig nachdenklich wird. Er hat etwas berührt, dass anscheinend nicht so angenehm für sie ist, und versucht sofort das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Was machen sie hier im Krankenhaus, haben sie jemanden besucht?«
»Nein, ich hatte einen Termin.« Termin? Habe ich Termin gesagt? Schießt es Ilona durch den Kopf. Sie beobachtet seine Reaktion. Seine Mimik hat sich leicht verändert, er kombiniert wahrscheinlich, Termin, Kinderabteilung, vielleicht sogar schwanger.
Ilona lächelt ihn an. »Nicht was sie jetzt denken, ich hatte einen Termin als Clown.«
»Als Clown?« fragt Daniel ungläubig.
»Ja in der Kinderabteilung.«
Daniel fällt es wie Schuppen von den Augen. »Mein Gott, jetzt weiß ich, wo ich das Lächeln schon einmal gesehen habe.«
»Das Lächeln?«, fragt Ilona verwundert.
»Ja das Lächeln, sie haben mir ein Lächeln geschenkt, verkleidet als Clown, auf der Kinderstation.« beide müssen lachen und das Eis ist gebrochen.
»Was machen sie eigentlich beruflich?« fragt Ilona spontan. Daniel zögert und denkt nach, was er darauf antworten soll.
Ilona bereut es in diesem Moment sofort, dass sie diese Frage gestellt hat, das Gespräch hatte sich so gut entwickelt.
»Ich bin in der Medienbranche tätig.«
Medienbranche? Wie viel Berufe mag es in dieser Branche geben, stellt sich Ilona gedanklich selbst die Frage, warum benutzt er einen Sammelbegriff.
Daniel hatte bei einem Fernsehsender eine leitende Position. Das Klima wurde aber dort so unerträglich, dass er entschlossen hat, trotz seines Alters von 45 sich nochmals umzuorientieren. Er hatte mehrere Posten in Aussicht, aber als es dann soweit war, waren die Aussichten nicht mehr so rosig, die Wirtschaftskrise zwingt uns zu Sparmaßnahmen, hatte man meist als Grund durchblicken lassen, dass momentan keine Leute eingestellt werden.
Durch seinen guten Job hatte es Daniel zu Wohlstand gebracht und leider, wie so viele, Kredite für ein Haus aufgenommen. Das Haus muste natürlich etwas Besonderes sein und er hat sich übernommen. Streitereien mit seiner Frau wegen Geldsorgen und anderer Dinge, die sich aufgestaut hatten, haben die Ehe schließlich zerbrochen und zuguterletzt, wurde der Sohn auch noch krank.
Ilona versucht, die Situation zu retten. »Hätten sie Lust mal einer Erzählung beizuwohnen?« Sie lächelt ihn wieder aufmunternd an.
»Wie meinen sie das?«
»Heute Abend findet eine Vorlesung im Haus der Kunst statt, dort lese ich unter anderen auch vor. - Sie schaut ihn erwartungsvoll an. - Der Eintritt ist frei, nur wenn sie nichts anderes vorhaben, natürlich.«
Sie ist ein einnehmendes Wesen, dem man sich nicht so einfach entziehen kann, er kann es nicht beschreiben und Daniel wird neugierig, neugierig auf sie. Was hat er eigentlich zu verlieren, das Zuhause ist leer und Ablenkung würde ihm gut tun.
»Warum eigentlich nicht.«
»Soll das eine Zusage sein?« hakt Ilona erfreut nach.
»Natürlich, eine Renaissance eines uralten Berufsstandes, sollte man sich nicht so einfach entgehen lassen.«
»Sollte man nicht, finde ich auch. Die Veranstaltung findet um 8 Uhr im Haus der Kunst statt. Wir treffen uns um 7.30 Uhr im Foyer. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
»Erschrecken sie nicht, es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, es werden auch ein paar Freunde anwesend sein.«
»Das macht mir nichts aus.«
Ilona sieht beiläufig auf die Uhr. »Mein Gott, es ist schon Viertel vor Elf und ich habe einen Termin um Zwölf.«
»Im nächsten Krankenhaus?« lächelt Daniel.
»Nein, auf einem Kindergeburtstag, in einer ganz vornehmen Gegend - Ilona steht auf.- Bis heute Abend, 7.30 Uhr nicht vergessen, ich freue mich.«
»Ich bin auch gespannt.« Daniel ist aufgestanden und verabschiedet sich. Ilona will schon gehen.
»Wie heißen sie eigentlich?«
»Ilona Mansfield.« Sagt sie und läuft Richtung Ausgang.
»Daniel Bixby.« Schreit ihr Daniel hinterher. Ilona läuft durch die Cafeteria und an der Glastüre dreht sie sich um und winkt ihm noch einmal zu.
Eine merkwürdige Begegnung, denkt Daniel und schaut ihr hinterher. Ein bisschen verrückt mag sie ja sein, aber ihr Wesen macht alles wieder wett.
»«
Auf dem Nachhauseweg konnte Daniel seine Gedanken nicht ordnen, so viele Sorgen plagten ihn, die er die letzten Monate nicht aus dem Kopf bekam und jetzt kommt ein Clown und seine Gedanken kreisen nur um sie. Verrückt, ich werde heute Abend da hingehen, um mein Versprechen einzulösen und dann war es das, ich hänge mir doch nicht so einen Klotz ans Bein, sympathisch hin oder her. Scheltet er in Gedanken sich selbst.
Er wollte es verdrängen und so oft er es auch versuchte, seine Gedanken wieder zu ordnen, er schaffte es nicht, Sie kam immer wieder zurück. Er wurde fast wütend auf sich selbst deswegen.
»«
Ilona sitzt in der U-Bahn und hängt ihren Gedanken nach, fast wäre sie in die falsche Bahn eingestiegen, was heißt fast, sie war schon drin und bemerkte es im letzten Moment, bevor sich die Türen schlossen. Herr Bixby, was hat mich bewogen ihn anzusprechen, geht es ihr im Kopf herum. Sie denkt an die Krankenschwester und muss unwillkürlich grinsen, durch sie hatte sie erfahren, dass er Solo war. Eigentlich ist er ein wenig zu alt und die ersten grauen Haare sind auch schon zu sehen, seine Stimme hat sie fasziniert und das Bild, wie all die Kinder um ihn saßen und in seinen Bann gezogen waren. Seine Stimme war der Auslöser, will sie sich selbst weiß machen.
Ilona hat Kunst studiert, leider waren ihre Eltern nicht so situiert, dass sie ihr groß unter die Arme greifen konnten. Sie waren strickt dagegen, beziehungsweise ihr Vater. Kunst, was ist schon Kunst, hat ihr Vater immer abwertend gewettert, sie solle einen anständigen Beruf erlernen, mit ihren Noten würde sie jeder mit Handkuss nehmen und außerdem würde sie dann ja sowieso irgendwann Heiraten und Kinder kriegen und somit wäre das alles für die Katz und rausgeschmissenes Geld, für nichts.
Bei ihrer Mutter war zwar der Ansatz da, ihr zustimmen zu wollen, aber gegen die Sturheit des Vaters, war kein Kraut gewachsen.
Als die Schule dann zu Ende war, hat Ilona gepackt. Ich fahr zu meiner Freundin und mach ein wenig Uhrlaub, hat sie den Eltern gesagt, ihnen aber dabei verschwiegen, dass sie vorhatte, nicht wiederzukommen.
Als den Eltern die Abwesenheit der Tochter dann doch zu lange vorkam und nachgefragt haben, wann sie den endlich wiederkommen würde, wurden sie von Ilona noch ein paar Mal vertröstet, aber als das nicht mehr ging, musste sie ihnen doch die Wahrheit sagen.
Sie waren, gelinde ausgedrückt, nicht begeistert, als Ilona ihnen gestand, dass sie nun doch Kunst studieren wolle, aber den sturen Kopf, hatte sie von ihrem Vater geerbt, der es dann auch als gegeben, hinnehmen musste.
Brechen musste sie mit ihrer Familie deswegen nicht, du kannst jederzeit wieder heimkommen, hat man ihr des öfteren versichert. Der Stolz verbot es ihr aber, die wahre Situation, in die sie nach einiger Zeit kam, den Eltern preiszugeben.
Ilona versuchte wirklich alles, sie nahm jeden Job an, den sie bekommen konnte, aber es reichte hinten und vorne nicht.
Als es dann soweit war, dass sich Schulden anhäuften, gestand sie es ihren Eltern, die ihr dann auch prompt aus der Patsche halfen. Danach hat Sie sich entschlossen, das Studium abzubrechen, um es irgendwann wieder aufzunehmen. Ihre finanzielle Situation wollte sie erst einmal vorrangig in den Griff bekommen, das war das Wichtigste.
Sie bekam auch unsittliche Angebote und sie solle sich nicht so anstellen, Geld stinkt nicht, hat man ihr versichert und versucht sie zu überreden, aber über diese Schwelle wollte sie nicht treten. Das Einzige was sie gemacht hat war, als Akt, Model stehen. Eine komische Erfahrung, sie kam sich vor wie ein Gegenstand, nur bei einem, war sie sich nicht so sicher und deswegen hat sie es auch nicht wieder gemacht.
Bei einer sehr reichen Familie konnte sie des öfteren als Babysitter arbeiteten, Babys waren es eigentlich nicht mehr. Die Familie hatte drei Kinder, das älteste war 11 der jüngste 7 und noch ein Mädchen mit 9 . Von dieser Familie wurde sie immer öfter gebucht, nach einiger Zeit auch, wenn die Eltern zuhause waren. Diese Familie hatte ihr auch geraten, bei einer Vorlesung teilzunehmen. Ilona du wirst Erfolg haben, du kannst so wunderbar vorlesen, meine Kinder bekommen fast schon Entzugserscheinungen, wenn du einmal nicht kannst.
Diese Vorlesung war dann eigentlich der Anfang, sie hatte tatsächlich Erfolg, so wie es ihr die Familie prophezeit hat.
Ab diesem Moment bekam Ilona ihre Finanzen in den Griff. Ihr Bekanntenkreis hat sich vervielfacht und auf einmal kümmerten sich lauter furchtbar nette Menschen um sie, es war ihr selbst schon fast peinlich, mit wie-viel Hilfsbereitschaft man ihr begegnete.
»«
Daniel schaut auf die Uhr, 6.55. Er steht vor dem Haus der Kunst und sieht sich das Plakat der Veranstaltungen an. Er hat eine Angewohnheit, wenn irgendetwas neu für ihn ist, kommt er gerne etwas früher, um sich zu orientieren, er will wissen, was auf ihn zukommt.
Ein Reiter, mit dem Plakat der Veranstaltung der "Nationalen Geschichtenerzähler″ ist am Eingang aufgestellt. Daniel liest sich die Namen durch und entdeckt den von Ilona Mansfield. Daniel geht durch den Eingang. Das Foyer, ist ein überdimensional großer Raum, der mit hellem Marmor ausgelegt ist, im hinteren Teil des Raums eine Baar, die sich über die ganze Breitseite des Raums erstreckt, zusätzlich sind viele runde kleine Tische aufgestellt, die schon teils belegt sind.
Daniel hatte sich Gedanken gemacht, wie sich die Leute kleiden, wenn sie zu einer Vorlesung gehen, und er hat es richtig eingeschätzt. Völlig ungezwungen. Um sicher zu gehen, hat sich Daniel für Blue Jeans mit einem schwarzen Sakko und einem weißen Hemd, ohne Krawatte entschieden. Großen Wert legt er auf Schuhe, auch mit Blue Jeans. Turnschuhe benutzt er nur sehr eingeschränkt. Sein Blick streift über die Anwesenden. Ilona Mansfield kann er aber darunter noch nicht entdecken. Um sich die Zeit zu vertreiben, beschließt er, sich die Gemäldeausstellung anzusehen, die sich auch im Foyer an den Wänden und einem extra speziell dafür aufgestellten Anzeigetafelsystem, befindet. Daniel schlendert an den Gemälden vorbei und betrachtet einige interessierter. Auch andere Personen tun es ihm gleich.
Daniel wird aufmerksam, auf zwei Damen, die sich heftig streiten. Das Benehmen der Beiden, steht im krassen Gegensatz zu ihrer Kleidung, die eine andere Umgangsform hätte vermuten lassen. Es ist fast belustigend den Beiden zuzusehen, sie unterdrücken die Lautstärke ihre Stimmen, aber die Aggressivität bleibt dabei voll erhalten. Marktfrauen könnten einen Streit nicht besser ausfechten.
Es treffen immer mehr Personen ein, auch junge Leute sind darunter. Daniel sieht wie Ilona vom Eingang her, zielstrebig durch das Foyer geht und zu einer Gruppe von Leuten stößt, die sich vor der Baar aufhalten. Man begrüßt sich recht herzlich mit Wangenküsse. Daniel mag es zwar nicht so besonders, aber auch in seinem Job musste er sich an die Wangenküsse gewöhnen.
Er schaut auf die Uhr, 7.25 er will sich der Gruppe nähern, aber stoppt dann wieder. Die beiden Damen, die sich eben noch so heftig gestritten hatten, sind friedlich vereint der Gruppe zugestoßen. Küsschen hin, Küsschen her. Daniel wartet ab, bis das Ritual ein Ende gefunden hat. Hoffentlich wird seine Körpersprache ausreichen, um sich dem Ritual entziehen zu können, geht es ihm durch den Kopf.
Daniel sieht, dass sich Ilona suchend im Foyer umschaut und beschließt, vor einem Bild stehen zu bleiben, um sich finden zu lassen. Vielleicht entkommt er so eleganter der Knutscherei. Aus dem Augenwinkel merkt er, dass ihn Ilona entdeckt hat und zu ihm kommt.
»Hallo« erfreut sieht sie Daniel an. Daniel bleibt fast keine Zeit das Hallo zu erwidern und hatte schon zwei Küsse rechts und links auf den Wangen.
»Es freut mich, dass sie meiner Einladung gefolgt sind.«
»Ich habe es doch versprochen.« Erwidert Daniel vergnügt. Ihr Lächeln hat es wieder geschafft, den Schalter bei ihm umzulegen.
»Meine Freundinnen stehen dort drüben, ich möchte sie ihnen vorstellen, kommen sie.« Ilona hakt sich bei ihm ein und zieht ihn einfach mit sich.
»Ich habe mir die Gemälde angeschaut und festgestellt ...« Daniel bricht selbst wieder ab und lässt es bleiben, Ilona würde sowieso nicht zuhören, ihr ist die Vorfreude anzusehen, die sie hat, ihn, ihren Freundinnen als Jagdtrophäe vorzustellen.
Schon als man sich der Gruppe nähert, strahlt man ihnen mit freudiger Erwartung entgegen. Ilona muss ihn schon vorangekündigt haben, so scheint es.
Die Gruppe besteht aus fünf Damen, alle älter als Ilona, sie dürften um die Sechzig sein, eine davon hat dieses Alter bestimmt noch zehn Jahre überschritten.
»Das ist Herr Bixby und das ist meine Freundin Mariann Fittich«, fängt Ilona an.
»Sehr erfreut«, entgegnet Frau Fittich, die ihm eine sehr schmale Hand entgegenstreckt. Sie streckt ihm die Hand so entgegen, dass er sie nicht richtig nehmen kann, eher zu einem Handkuss oder vielleicht wegen der großen Ringe, dass man die Hand nicht drücken kann. Sie ist die Älteste, sie strahlt Vornehmheit aus. Sie hat weißes Haar, mit einer sehr streng anliegenden Dauerwelle, was vermuten lässt, dass sie nachts ein Haarnetz trägt. Ihr Kleid ist sehr elegant und stammt aus einer anderen Zeit, denkt man beim flüchtigen Hinsehen, aber es scheint nur der Schnitt zu sein und gewollt so angefertigt. Ihr Blick ist durchdringend, aber nicht unfreundlich, sie schaut mir bis in die Seele, denkt Daniel.
»Und das ist Jessica Bienhof.« Daniel schätzt Jessica auf die 58 bis 62 schlank, sehr sympathisch und attraktiv, sie lächelt Daniel mit einem gewissen Flirtfaktor an. Auch Ilona hat es bemerkt, ist aber dabei nur leicht belustigt.
»Und das ist meine Freundin Elisabeth Rosenstern.« Der Ton, wie es Ilona sagt, lässt vermuten, dass sie zu Elisabeth eine engere Freundschaft pflegt oder auch Bewunderung. Der Blick, mit dem Elisabeth Daniel mustert, ist eher abschätzend, nicht direkt abweisend aber man spürt es.
»Und das ist meine liebe Freundin Rebecca, Rebecca Sendin.« Daniel gibt auch ihr die Hand. Rebecca hat ihr freundlichstes Lächeln aufgesetzt. Nichts ist mehr zu sehen von der hasserfüllten Fratze, die sie eben noch bei ihrem Streit gezeigt hat. Durch das Lächeln hindurch glaubt Daniel aber, einen Anflug von Abweisung in ihren Augen zu sehen, es passt irgendwie nicht zusammen.
»Und das ist Monika Hirt.« Monika ist selbstbewusst und hat auch einen gewissen Händedruck, sie schaut Daniel mit festem Blick an, den man keine Regung entlocken kann, auch ihr kann man den Streit nicht mehr ansehen.
»Es tut mir leid, aber ich konnte keinen Parkplatz finden.« Diese Stimme taucht urplötzlich hinter Daniel auf und gehört zu einem Mann um die 60. Sportlich schlank, mit etwas gelichtetem Haar und braun gebrannt. Er küsst die Frauen und als letzte kommt Ilona dran. Als er fertig ist, bleibt er mit einem fragenden, abschätzenden Blick vor Daniel stehen.
»Und wer sind sie?«
Ilona geht dazwischen und stellt Daniel vor. »Das ist Herr Bixby, Daniel Bixby.«
»Karl-heinz Fromm.« Stellt er sich vor und versucht Manfreds Hand voll durchzudrücken, lässt sich aber nichts anmerken als Daniel diesen Druck, noch was entgegensetzt. Testosteron gesteuert, geht es Daniel durch den Kopf, Revierverhalten, Ilona. Mit einem beschwingten »wollen wir?«, überspielt Karl-heinz den unerwarteten Gegendruck.
»Es wird Zeit, du bist die erste Ilona, komm gehen wir hinter die Bühne.« Monika Hirt nimmt Ilona am Arm und geht.
»Bis nachher«, ruft Ilona Daniel noch zu und wird von Monika weggeschleift.
Jessica Bienhof nutzt die Gelegenheit und hängt sich bei Daniel ein. »Sie gehören jetzt mir, bevor die Besitzverhältnisse nicht geklärt sind.« Daniel muss nur lächeln und lässt es geschehen. So geht man gemeinsam Richtung Theatersaal.
Karl-heinz Fromm lässt sich bei der Gruppe zurückfallen und schließt sich Rebecca Sendin an, die er am Arm nimmt und aufhält. Daniel bemerkt unbeobachtet, dass Karl-heinz auf Rebecca einredet.
Der Theatersaal ist nur zu einem geschätzten Viertel gefüllt. Der schwer wirkende, dunkelrote Samtvorhang ist geschlossen und davor befindet sich ein Stehpult mit Mikro und Leselampe. Das Licht im Saal ist gedimmt. Die Unruhe im Saal, die noch durch platzsuchende verursacht wird, legt sich langsam. Aus dem geschlossenen Vorhang hervor, tritt Monika Hirt und stellt sich hinter das Rednerpult.
»Guten Abend liebe Gäste. Mein Name ist Monika Hirt, das Thema des heutigen Abends heißt ″Weise Geschichten". Geschichten, die nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern einen tieferen Sinn beinhalten, Geschichten die Lösungsansätze für Probleme oder Rat in verschiedene Situationen, in denen sich ein Mensch im Leben befinden könnte, geben können. Eine gut gewählte Geschichte kann zur richtigen Zeit erzählt, mehr zum Denken anregen, als ein gutgemeinter Rat. Oft wird ein gutgemeinter Rat falsch interpretiert und erweckt sogar Aggressionen bei einem Menschen, der diesen Rat bitter nötig hätte.
Ich möchte ihnen jetzt eine junge Dame vorstellen, die ihnen Geschichten vorlesen wird, den tieferen Sinn der Geschichten werden wir versuchen, im Anschluss zu ergründen.
Es liest für sie, Ilona Mansfield«
Mit einer einladenden Handbewegung tritt Ilona hinter dem Vorhang hervor auf die Bühne.
Während dieser gesamten Ansprache diskutiert Karl-heinz Fromm mit Rebecca Sendin, die immer noch nicht platz genommen haben. Daniel beschleicht das Gefühl, dass es in dem Gespräch auch um ihn gehen könnte, das ihm verstohlene Blicke in seine Richtung verraten haben, aber er könnte sich auch täuschen, Karl-heinz Fromm, könnte in ihm auch einen Nebenbuhler sehen.
Ilona Mansfield beginnt zu reden.
»Ich werde ihnen eine kleine Geschichte vorlesen, deren tieferer Sinn sofort klar wird.
Der Titel: Die Weisheit.
Einst trafen sich die Götter, der Verfehlungen der Menschen wegen, gegen die Natur und der Schöpfung und beratschlagten, ob es ratsam sei der Menschheit zu verkünden, die Allwissenheit des Universums.
Wer solle das Wissen erfahren?
Um es in gute Hände zu legen, müsste es ein sehr weißer Mann sein und um dessen Weisheit zu erfahren, solle er ein Rätsel lösen.
Eines Rätsels Lösung bedarf es meist nicht Weisheit, sondern Schlauheit und Schlauheit ist ein Mittel um sich zu bereichern, lautete der Einwand auf diesen Vorschlag und tatsächlich war Schlauheit das größte Übel und hat der Menschheit mehr geschadet als genutzt.
Da man nach mehreren Vorschlägen zu keiner sicheren Lösung kam, wird beschlossen, den weißesten der Götter um Rat zu bitten.
Der Weiseste der Götter machte den Vorschlag, die Weisheit im innersten jedes Menschen zu verstecken, den nur derjenige der in sich geht, wird die Weisheit finden und sie erfahren und somit sei gewährleistet, dass kein Unwürdiger je die Weisheit des Universums finden würde.
Dieser Vorschlag wurde angenommen und in die Tat umgesetzt und jedem Menschen die Weisheit mit in die Wiege gelegt, um sie immer greifbar zu haben, wenn immer danach gesucht wird.
Auch in der Bibel steht geschrieben ″ Suchet, so werdet Ihr finden″ und es wird doch von den meisten nicht verstanden.
Tiefgründiger kann eine Geschichte wohl nicht sein.«
Ilona erzähle noch drei Geschichten, bevor sie von jemand anderes abgelöst wurde. Daniel hörte brav und betont interessiert zu, da er von den Freundinnen von Ilona beobachtet wurde. Daniel wunderte sich nur, dass die meisten Geschichten der Erbauung dienten und auch viel religiösen Hintergrund hatten. Karl-heinz Fromm und Rebecca Sendin hatten sich nach außen ins Foyer verzogen, um anscheinend ihr angeregtes Gespräch fortzusetzen. Als man in der Pause zu ihnen stößt, war wieder Friede-Eierkuchen und von Meinungsverschiedenheiten keine Spur mehr, auch hatte anscheinend keiner der Anwesenden eine Frage an sie, warum und weshalb sie der Lesung nicht beigewohnt haben. Daniel brennt diese Frage auf der Zunge, kann sie aber als Gast, nicht stellen. Er nimmt sich vor, Ilona bei passender Gelegenheit einmal danach zu fragen.
Der Abend verging für Daniel schleppend, soviel Erbauung in einem Stück war ermüdend und schwer verdaulich. Ilona zuliebe lässt er es sich aber nicht anmerken und geht mit Ilona und einem Teil der Truppe nach der Vorstellung, auch noch in ein Lokal. Im Schlepptau, Jessica Bienhof, bei der Daniel sich nicht sicher ist, ob er bei nächster Gelegenheit nicht doch noch von ihr verspeist wird. Ilona findet das lustig, also wird sie nicht das tun, wofür Daniel sie für fähig hält, hat er zumindest die Hoffnung.
Als Daniel an diesem Abend im Bett liegt und alles nochmal Revue passieren lässt, hat er mehr Gedanken für Ilonas Freunde übrig, als für sie selbst. Das Verhalten gab ihm Anlass mehr darüber nachzudenken als nötig. Wer sind diese Leute, die alles so gelassen hinnehmen und nichts hinterfragen? Er hoffte nicht ständig mit ihnen konfrontiert zu werden, wenn er Ilona treffen will. Für sie scheinen ihre Freunde alles zu bedeuten. Daniel beschließt, am nächsten Tag im Internet zu recherchieren, um zumindest ihre Freunde einschätzen zu können.
Als Daniel fast einschläft, klingelt das Telefon und Ilona ist am Aperat.
»Daniel? Ich bins Ilona Mansfield.«
»Ja, ist was?« Ilona klingt verstört und ihrer Stimme ist anzumerken, dass sie geweint hat.
»Stell dir vor, was eben passiert ist, Karl-heinz Fromm hat mich angerufen«
»Der verspätete Play Boy?« fragt Daniel nach.
»Ja.«
»Und was willst du mir sagen?«
»Er hat mich zur Schnecke gemacht und mich gefragt, was mir einfällt, ohne seiner Erlaubnis einen fremden Mann seinen Freunden aufzudrängen.«
»Was soll ich dazu sagen, ich habe zu wenig Insiderwissen über die Hackordnung deiner Freunde, hat er denn eine Berechtigung, es dir zu verbieten?« fragt Daniel nach.
»Nicht dass ich wüsste, ich finde es auf jeden Fall eine Frechheit Sondergleichen, mir etwas verbieten zu wollen.« Wettert Ilona ärgerlich.
»Ich habe eher den Verdacht, er ist eifersüchtig,« bemerkt Daniel.
»Wie kommst du darauf?« erwidert Ilona.
»Sein Verhalten, als er mich gesehen hat, im Foyer und sich vorstellte.«
»Ich habe da nichts bemerkt.«
»Du musst etwas bemerkt haben, denn du hast mich ihm schnell vorgestellt, als er mich fragte, wer sind sie denn.«
»Das ist mir nicht bewusst.« Entgegnet Ilona.
»Ich hatte das Gefühl als würdest du schnell eingreifen wollen, bevor es zu weiteren Ausbrüchen kommt. Das, wer sind sie denn, ist nicht die feiste Art einem fremden Gast zu begrüßen«, bemerkt Daniel.
»Ich habe da nichts bemerkt, ehrlich!« erwidert Ilona leicht irritiert.
»Macht ja nichts, aber ich kann dir da auch nicht weiterhelfen, so gern ich es machen würde, ich habe zu wenig Kenntnis über deine Freunde, wird sich schon wieder einrenken, hoffe ich«, tröstet Daniel.
»Ich kann das nicht auf mir sitzen lassen, ich werde ihm aus dem Weg gehen müssen.«
»Tu das, wird das Beste sein.«
»Danke Daniel, dass du mir zugehört hast, und entschuldige die späte Störung.«
»Nichts zu entschuldigen, gute Nacht.«
»Gute Nacht Daniel.« Ilona legt den Hörer auf.
»«
Daniel konnte Karl-heinz Fromm nicht ernst nehmen. Sein Auftreten im Haus der Kunst im Foyer, wirkte irgendwie lächerlich. Seine Einschätzung: ein Mann, der mit seinem Alter nicht zurechtkommt und auf jugendlich machte. Solche Männer gab es zuhauf in der Stadt, die in ihrem hohen Alter anfangen ins Fitnesscenter zu laufen und ihre Ernährung umstellen und Pillen schluckten ohne Ende, um noch ein paar Jahre mehr herauszuschinden. Das alles ist schön und gut und wirtschaftlich gesehen ein riesen Geschäft, aber es bleibt nicht aus und diese Typen sind so überzeugt von sich, dass sie sich an jüngeren Frauen versuchen, was natürlich meist in die Hose geht.
Solche Typen sind aber nicht ungefährlich, eine Abfuhr stecken sie nicht so leicht weg, sie haben zufiel in sich an Schweiß, Zeit und Geld investiert und jetzt bleibt der Erfolg aus, frustrierend eigentlich. Zu diesem Zeitpunkt kannte Daniel die Zusammenhänge nicht. Was ermächtigte Karl-heinz Fromm, Ilona zu maßregeln? Dass er verärgert war, ist offensichtlich, aber warum? Vielleicht machte er sich tatsächlich Hoffnungen auf Ilona, aber würde er sich dann so benehmen?
Daniels erste Einschätzung, die Finger von Ilona lieber zu lassen, da es nur Probleme geben würde, fingen an Realität zu werden. Daniel hat sich eingelassen, und wenn man es akzeptiert hat, gibt es meist kein zurück mehr. Er fühlte sich stark, um die Beschützerrolle zu übernehmen und hoffte, nicht zu viel Federn lassen zu müssen. Vielleicht renkt sich ja doch wieder alles ein, aber es wird ihm in dieser Nacht nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Daniel steht noch mal auf und macht sich einen Schlaftrunk und hofft, dass er ihm hilft, das Karussell der Gedanken in seinem Kopf abzustellen, um nicht Schäfchen zählen zu müssen.
»«
Als Ilona am nächsten Morgen in die Agentur geht, um sich ihre Aufträge durchzusehen und die Fragebögen abgeben will, hat sie ein ungutes Gefühl. Karl-heinz Fromm ist ihr unmittelbarer Ansprechpartner. Er ist Leiter der Arbeitsagentur und könnte ihr Schwierigkeiten machen, wenn er wollte. Schwierigkeiten in Bezug der Aufträge die Ilona von dieser Agentur bekommt. Bis jetzt war immer alles OK und sie konnte sich die besten Angebote heraussuchen, oder besser gesagt die schlechten ablehnen, was aufs gleiche hinaus lief.
Das alles hatte sich entwickelt durch die Fürsprache von ihren jetzigen Freundinnen, die sie aber auch nur durch ihre Arbeit für die Agentur kennenlernte.
Als sie die Fragebögen, die sie im Joaquin Community Hospital von der Stationsschwester bekam, in ihrem Fach ablegte, wurde sie von Betty Capwell, der Sachbearbeiterin angesprochen, die ihr sagte, dass Karl-heinz Fromm sie kurz sprechen möchte.
Ilona hatte es befürchtet, dass es mit dem Telefongespräch noch nicht ausgestanden war. Sie hatte sich in der letzten Nacht so einiges überlegt, kam aber zu keinem Entschluss, da sie sich nicht vorstellen konnte, was sie falsch gemacht haben könnte.
Die Bemerkung von Daniel, als sie ihn in der Nacht anrief, Karl-heinz Fromm könne sich Hoffnungen auf sie machen und sei deswegen so erbost, hält sie für glatten Unsinn. Karl-heinz Fromm ist zwar ein Schamör, machte ihr auch immer Komplimente, wurde aber nie anzüglich, und wenn er einmal zu weit ging, hatte sie immer das Gefühl, dass es ein Scherz war.
Als Ilona nach dem Anklopfen das Büro von Karl-heinz Fromm betritt, ist sie sehr überrascht. Karl-heinz Fromm steht freudestrahlend hinter seinem Schreibtisch auf und kommt ihr entgegen.
»Guten Morgen Ilona, ich konnte die ganze Nacht kein Auge zu machen, ich möchte mich ganz herzlich bei ihnen entschuldigen, ich habe mich gestern am Telefon daneben benommen, können sie mir noch einmal verzeihen?«
Ilona bringt kein Wort heraus. Die ganze Nacht konnte sie deswegen nicht schlafen und jetzt das, mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht mit so-etwas. Sie geht auf den Stuhl zu, der vor dem Schreibtisch steht.
»Bitte setzen sie sich doch, möchten sie ein Glas Wasser?«
»Ja bitte - presst Ilona hervor, sie kocht innerlich vor Wut – so ganz ohne Erklärung kommen sie mir nicht davon – bricht es aus ihr heraus – sie haben mir eine schlaflose Nacht beschert.«
»Das tut mir auch außerordentlich leid, ehrlich, ich weiß nicht, was mit mir los war.« Karl-heinz Fromm windet sich wie ein geprügelter Hund, so hatte sie ihn ja noch nie gesehen, was ist mit ihm nur geschehen?
Was Ilona nicht weis, Karl-heinz Fromm hat seine Kompetenzen überschritten, im Haus der Kunst hat er sich mit Rebecca Sendin angelegt und das hätte er nicht tun sollen. Rebecca Sendin hat bessere Verbindungen nach oben, als Karl-heinz Fromm träumen kann. Die Erniedrigung, sich bei Ilona entschuldigen zu müssen, ist nur reine Schadensbegrenzung. Rebecca Sendin, ist gewissermaßen Ilonas Protegé. Karl-heinz Fromm bekam am frühen Morgen einen Anruf von einer Person, die ihm klar machte, dass er bei sich die Luft ablassen sollte, bevor es jemand anders macht.
Die Führung von Ilona Mansfield ist alleine Rebecca Sendin anvertraut, sie wurde dafür auserwählt und niemand sonst soll sich dabei vorläufig einmischen.
Karl-heinz Fromm hat sich tatsächlich Hoffnungen auf Ilona gemacht und seine Eifersucht hat ihn aus der Rolle fallen lassen, was eigentlich ein Unding ist. Karl-heinz Fromm kennt die Statuten der Gemeinschaft ganz genau, aber seine bis jetzt unerfüllte Liebe zu Ilona, zermürbt ihn. Er kann es nicht erwarten, ihr seine Liebe zu gestehen und kann es sich aber auch nicht erlauben, mit der Tür ins Haus zu fallen. Karl-heinz konnte es nicht verstehen, dass sich ein Außenstehender an Ilona heranmachen kann und Rebecca Sendin sieht zu und greift nicht sofort ein. Karl-heinz bezeichnet es als Ausrede von Rebecca Sendin, dass Ilona erst am Anfang stünde und noch weit davon entfernt sei, gefestigt zu sein. Es sei Vorsicht geboten, warnte Rebecca. Karl-heinz warf ihr Führungsschwäche vor. Rebecca sagte ihm, der wahre Grund bei ihm sei Eifersucht, warum er sich so aufregt. Man wird Mittel und Wege finden, sollte das mit diesem Mann nicht von selbst wieder aufhören, das zu unterbinden.
Dass nicht herauskommt, dass er Ilona angerufen und sie diesbezüglich auch gemaßregelt hat, hat sich Karl-heinz Fromm schweren Herzens dazu entschlossen, sich bei Ilona zu entschuldigen und sich diesbezüglich eine Ausrede, für sein Verhalten am Telefon, zurechtgelegt.
»Sie sind noch in der Ausbildung bei uns Ilona. Ein Mann kann dabei sehr ablenken. Die Ausbildung kostet sehr viel Geld und erfordert sehr viel Konzentration ihrerseits, ich habe mir Sorgen um sie gemacht, sie möchten doch auch das Vertauen, das man in sie setzt, erfüllen, oder?«
»Natürlich, aber ich habe auch ein Privatleben und das lasse ich mir nicht nehmen.«
»Das möchte auch keiner, wie gesagt ich habe aus Sorge ein wenig überreagiert und entschuldige mich hiermit nochmals in aller Form und ich bitte sie, die Entschuldigung anzunehmen.«
Gern hätte ihn Ilona noch eine Weile so zappeln lassen, aber allmählich wurde seine unterwürfige Haltung peinlich und sie entschloss sich, die Entschuldigung anzunehmen, um dem ein Ende zu machen.
»Ich habe mir so einiges zurecht gelegt um es ihnen an den Kopf zu werfen, - entgegnet Ilona erbost - jetzt ist es ja nicht mehr nötig, weil ich ihre Entschuldigung annehme, aber für die schlaflose Nacht erwarte ich von ihnen eine Entschädigung, lassen sie sich was einfallen.«
Ilona steht mit einem Lächeln auf. Das war wie ein Orgasmus, ein schönes, befriedigendes Gefühl. Irgendetwas muss aber vorgefallen sein, davon ist sie überzeugt, als sie zur Tür und aus dem Büro geht.
Die quälende Freundlichkeit von Karl-heinz Fromm fällt sofort von ihm ab, als er die Tür hinter Ilona schließt. Er hätte nicht gedacht, dass seine Maßregelung gegenüber Rebecca Sendin soviel Wirbel machen könnte. Sie war bis jetzt immer unauffällig, ihre Stellung innerhalb der Gemeinschaft war bis jetzt nicht durchschaubar, er hatte sich einen gewissen Anspruch auf Ilona erhofft und durch seine Eifersucht wahrscheinlich alles zunichtegemacht.
Nachdem nach einer längeren Prüfung entschieden wird, ein neues Mitglied aufzunehmen, wird diese Person mit neuen Freunden so beschäftigt, dass ihr in grundgenommen für alte Freunde keine Zeit mehr bleibt und sie schnell vergisst. Sämtliche Interessen die diese Person hat, werden gefördert, wenn es der Vereinigung nutzen kann. Interessen, die von weniger Nutzen sind, werden durch das Überangebot des verfolgten Ziels langsam und fast unbemerkt, abgewürgt.
Ilona ist sehr selbstbewusst, aber diese Eigenschaft sollte erhalten bleiben, sonst würde man ihr die Persönlichkeit nehmen, die ihr ganzes Auftreten ausmacht. Deshalb werden ihre Freunde speziell ausgewählt. Doch Karl-heinz Fromm hat sich leider in Ilona verliebt und wurde eifersüchtig auf Daniel Bixby, ein ″now go″ beim Vertrauensaufbau eines neuen Mitglieds.
Zwischenmenschliche Gefühle dieser Art haben dabei nichts verloren, um nicht zu sagen, sind sogar verboten. Es ist zwingend darauf zu achten, dass sich keine neuen Hindernisse in den Weg stellen und Daniel Bixby ist so ein Hindernis, ein sehr unerwartetes Hindernis, das die bis jetzt investierten Bemühungen, wieder weit zurückwerfen kann. Daniel Bixby könnte zu einem Problem werden und man müsse Maßnahmen ergreifen, um das Problem richtig einschätzen zu können.
Ilona Mansfield`s Fähigkeiten sind für die Gemeinschaft von großem Nutzen, ein Diamant, der noch geschliffen werden muss, um seinen Wert noch zu steigern.
Im Labyrinth der Zuständigkeiten der Gemeinschaft macht Daniel Bixby eine große Welle. Zufiel Hoffnungen setzt man in Ilona Mansfield, ihr Nutzen für die Gemeinschaft wurde schon analysiert und dokumentiert und man hat schon sehr viel Zeit und Geld in sie investiert, sodass man nicht gewillt ist, sie so einfach wieder aufzugeben.
Durch die Eifersüchteleien und Kompetenzgerangel von Karl-heinz Fromm und der Beschwerde von Rebecca Sendin an übergeordneter Stelle, gerät Daniel Bixby in das Visier der Sekte.
»«
Prämisse: Überschwängliche Freundlichkeit erzeugt Misstrauen und Misstrauen verlangt nach Aufklärung.
ID 7l7v93, 167 months ago
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