"Ella hör auf, in dem Matsch herum zu toben!"
"Aber das macht Spaß", antwortete Ella fröhlich und hopste auf einem Bein von einer Pfütze zur nächsten, dass die braune Brühe nur so herumspritzte.
"Wenn das so weitergeht, baue ich der Göre eine eigene Hütte", grunzte Joachim und lachte dabei.
"Ist vielleicht eine gar nicht so schlechte Idee", sagte Marion und schmiegte sich an ihren Mann. "Dann brauchen wir deinen Hobbyraum nicht zu einem weiteren Kinderzimmer umzubauen."
Joachim, typisch Mann, brauchte seine Zeit, bis er begriff.
"Du meinst... Du bist wieder..?"
"Sieht so aus, meinte der Frauenarzt, bei dem ich gestern zum ersten Mal war. Übrigens ein extrem attraktiver Mann."
Ein Baby! Joachim umarmte seine Frau und tanzte durch den Matsch. Ella hielt in ihrem Spiel inne und beobachtete die beiden, bis ihre Eltern ihren Blick spürten und stehenblieben. Noch lachend reichte Joachim seiner Tochter die Hand hin. 'Komm, freu dich mit uns! Du bekommst bald einen Bruder oder eine Schwester!' Doch Ella blieb wo und wie sie war und regte sich nicht, schaute ihre Eltern gerade und scharf an.
'Was ist?' fragte nun Marion. Schließlich löste Ella ihren Blick und setzte ihr Pfützenspiel fort.
Joachim und Marion freuten sich sehr. Auf dem Heimweg begannen sie gleich, Pläne zu schmieden. 'Wir könnten mit unserem Schlafzimmer ins Gästezimmer ziehen, und Ella bekommt unser Schlafzimmer dafür. Dann könnte Ellas Zimmer das Babyzimmer werden, wäre doch praktisch, so nahe am Schlafzimmer, was meinst Du?' schlug Marion vor.
Ella blieb auf dem Nachhauseweg still und in sich gekehrt.
Eigentlich freute sie sich auf ein Geschwisterchen, mit dem sie Mutter und Kind spielen könnte, aber sie empfand merkwürdigerweise keine Freude, sondern nur eine Trauer.
'Ihr braucht die Zimmer nicht zu tauschen' platzte sie am Abendbrotstisch hervor. 'Warum?' fragte Joachim verwirrt. Doch Ella schaute nur verstockt auf ihren Teller und schwieg.
"Gut, Ella, nun sag: Was ist los? Freust du dich nicht auf das Baby? Hast du Angst, dass wir dich dann nicht mehr lieb haben?" wollte Joachim mit sanfter Stimme wissen, die Marion ihm so nicht zugetraut hätte.
"Nein, das ist es nicht. Ich will aber nicht, dass das Baby mein Zimmer bekommt."
"Ja aber warum denn nicht?" fragte Marion erstaunt. "Dafür bekommst du doch ein größeres Zimmer als ursprünglich vorgesehen. Ich, an deiner Stelle, würde mich riesig darüber freuen."
"Mir egal. Ich will das doofe Zimmer nicht!" Der Trotz im Gesicht ihrer Tochter verwirrte Marion und Joachim. So kannten sie die 8jährige gar nicht. Joachim sah erst Ella, dann seine Frau beunruhigt an.
"Für ne erste pubertäre Anwandlung ist Ella noch ein wenig zu jung, oder?" flüsterte er ihr zu.
Marion nickte zwar bestätigend, ihre Mimik zeugte allerdings von einer großen Verunsicherung.
Joachim tat, was man in solch einer Situation von dem Hausherrn erwartete. Er sprach ein Machtwort: "Wenn wir nächste Woche in das neue Haus ziehen, werden wir die Zimmer so aufteilen, wie Mama das vorgeschlagen hat!"
"Dann bleibe ich hier!" Die verschränkten Arme waren das endgültige i-Tüpfelchen in einer für den Augenblick hoffnungslos verfahrenen Situation.
Na toll, dachte Marion. Jetzt liegt der Bollerwagen endgültig im Graben.