Trotz
Trotz
Eigentlich ist es Trotz.
Mamurluk ist wirklich ein schwieriger Mensch. Eine Stufe tiefer: Heute sah Mamruluk eine hübsche junge Frau mit ihrer Grossmutter spazieren. Er brach in Tränen aus. Mamurluk wird mit seiner Grossmutter nicht spazieren gehen können. Er wird auch nicht mit seiner Grossmutter sprechen können, nicht erzählen können. Er wird auch nicht zu seinem Geburtstag mit seinem Vater Abendessen gehen. Er wird nicht mit Papa oder Tata oder Tatinek sprechen und erzählen und diskutieren. Mamurluk wird auch nicht mit Mama sein. Er wird seine Grossmutter nicht umarmen können und ihr und sich selbst eine unverwechselbare Geborgenheit geben können. Nichts von all dem.
Plötzlich erinnerte er sich, als er seinen zwölften Geburtstag hatte. Da war Mama in einer Rehabilitationsklinik zur Abklärung, wie hoch ihre Invalidenrente ausfallen kann. Januar. Winter. Dunkelheit und Kälte. Tata, Papa kaufte Mamurluk Sesam-Crackers und Rivella. Dinge die Mamurluk mag. Dann fuhr er mit Mamurluk den Berg hinauf und schickte ihn alleine in die Klinik mit dem Auftrag zu berichten, mit wem Mama in der Klinik verkehrte. Papa war eifersüchtig und Mama war für Mamurluk die asexuellste Person der ganzen Welt. Papa ist nicht mit hinein gekommen und Mama war zum ‚Jassen’ eingeladen, wobei sie keine Chance hatte zu Jassen und ablehnte, als hätte sie keine Lust.
Es ist ein Trotz. Ein Selbstmitleid. Ein ewiges Akzeptiert –werden- Wollen. Neurotisch. Niemand aber auch gar niemand kann Mamurluk die Eltern ersetzen. Mamurluk ist schwierig.
Mamurluk hat Angst, dass Pankraz totunglücklich mit ihm ist.
Und der Traum gestern Nacht. Mamurluk war schwanger. Er war in der Klinik, die zugleich Wellnesshotel, Schule, Gymnasium und Krankenhaus war. Und Mamurluk und das Baby waren so weit, aber das Baby kam nicht. Stattdessen flachte sich der Bauch ab und aufgedunsen zitterte Mamurluk um das Kind. Es gab nie ein Baby oder Mamurluk hatte es geboren und die Geburt nicht mitbekommen. Alle anderen fühlten entweder Mitleid mit ihm oder beachteten eine schwangere Frau am Treppengeländer gar nicht. Mamurluk fragte sich: War ich überhaupt schwanger oder ist das Baby tot und darum wird der Bauch immer flacher?
Aber dann, dann kam eine Art Kokosnuss ans Ufer des Meeres geschwommen. Eine Kugel. Eine Bowlingkugel, in der ein Mensch Platz hatte und sie öffnete sich, wie ein Kinderüberrraschungsei und aus ihr schwamm ins Wasser ein Junger und athletischer Mann. Und die Krankenschwestern riefen und jubelten: „Das Baby kommt!“ Und Mamurluk wusste es auch, dass es ihr Kind war. Was für ein seltsamer Traum.
Selbstmitleid und Trotz. Darum ist Mamurluk so schwierig, weil er noch ein Kind ist in einem erwachsenen Frauenkörper. Ein Kind in einem Zweifach-Mutter-Körper. Ein Kind mit einer Kaiserschnittnarbe. Ein Kind mit Hochschulabschluss. Ein Kind mit Falten. Ein Kind mit 34 Jahren. Mamurluk wird immer einsam sein, weil er sich sicher fühlt in der Einsamkeit. Das ist Mamurluks Revier. In diesem Territorium hat er schon alles angepinkelt, alles abgesteckt und markiert. In der Einsamkeit ist Mamurluk zuhause.
Den Eltern war nichts heilig.
Die Sache mit der Kokosnuss Halbschale.. ähm Schale hat Mamurluk wohl aus der Tierhandlung am Nachmittag. Die Zwerghamster und Mäuse tummeln sich unter so einem Holzkügelchen.
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Summary
Vergangenheit, Nähe, Verlust
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