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Worte einer sinnlichen Frau

Ich bin ein sinnlicher Mensch. Ich mag alles, was warm und weich ist. Gutes Essen, eine Wanne voll warmen, fast heissen Wassers, Wollsocken an den Füssen, wenn draussen eine feuchte Kälte die Fenster hochkriecht. Vorgewärmte, dicke Daunendecken, die wärmende Wirkung eines sanften Whiskeys, Rotwein auf Zimmertemperatur, ein kaltes Bier, wenn es heiss ist. Ein Mensch, der sich mir zuwendet, mich an den richtigen Stellen berührt, die richtigen Worte sagt, der nicht aus dem Mund stinkt. Ein gutes, saftiges Stück Fleisch. Das fast schwarze Rot von Wein, sein Geruch, und die langsam einsetzende Entspannung, wenn ich betrunken werde, die wachsende Grosszügigkeit gegenüber flauen Witzen, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, ich wäre ein Heuchler, wenn ich mal darüber lache. Es fällt mir dann auch leichter, andere zu berühren, und auch, mich berühren zu lassen, einer Freundin um die Hüfte zu fassen, einen Mann zu umarmen, auch wenn er dabei seinen Unterleib an mich presst, einen Abschiedskuss auf den Mund zu geben und ihn so lang auszuhalten, bis ich wahrgenommen habe, wie die Lippen des anderen schmecken. Ich mag auch, nur Sachen anzuziehen aus Materialien, über deren Oberfläche ich gerne mit der flachen Hand hinfahre. Ballonseide zum Beispiel. Ich leg mich gerne auf ein Sofa, lasse unaufregende Musik laufen, streiche über meine Jogginghose aus Ballonseide und betrinke mich dabei. Dann wünsche ich mir, anstelle der Fussbodenheizung einen Kamin mit Eisbärenfell davor zu haben. Der Geruch von Wachskerzen, frisch gezogen! Thermen mit Rosenblütenbädern.
Natürlich bin ich auch eine intellektuelle Frau, und für mich geht das häufig lemniskatisch so: ein geistig ebenbürtiger Partner wird mir sinnlich interessant, aber ein sinnliches Erlebnis vermag mich auch geistig zu stimulieren.
Aber auch der Alkohol! Ich geniesse es körperlich, sinnlich, stark betrunken zu sein. Ich mag es, wenn ich nach Schnaps stinke. Ich mag’s sogar bei Männern, bis zu einem gewissen Grad. Es hat so eine Wärme. Der Gestank darf einfach den Wärmegrad nicht überschreiten. Wahrscheinlich gibt’s da eine Formel dafür, aber ich will es fühlen, nicht berechnen (riechen, nicht rechnen).
Ein schöner, hölzerner Bartresen, auf den ich mich mit den Ellenbogen stützen kann. Unterarm auf dem glatten, leicht klebrigen Holz eines Gaststättentischs. Wenn kleine Pfützen von Bier drauf sind und meine Ärmel nass werden, ist das auch ok. Das Wohlfühlen in einem Menschengedränge, an einem Bartresen angelehnt und aufgestützt, auf Schulterfühlung mit den Nachbarn, Vorbeigleiten von Körpern, Berührungen der Hüfte und des Pos. Mit der Handinnenfläche die Theken- oder Tischkante berühren, betasten.
In ein Schaumbad versunken, bis nur Nase, Brustwarzen und Knie herausschauen. Alles, was mich umhüllt. Alles, was mir Widerstand bietet. Alles, was Eindrücke auf meiner Hautoberfläche hinterlässt, ist gut. Wenn diese Welt etwas tut, um mich zu beeindrucken, irgendwas, dann ist das gut, dann ist das schon gut, besser jedenfalls, besser als alles das, alles, alles, was eben keinen Eindruck macht. Alles, was unverändert bleibt, wenn ich es berühre. Ich will nur, dass die Welt auf mich reagiert. Ich will nicht gleichgültig sein. Ich will den anderen nicht gleichgültig sein. Ich will Eindruck machen und ich will berührt werden. Und wenn es wehtut.

ID i4a01j, Peter Metz, Activity: 1%, Views: 755, Chars: 3358, 171 months ago

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