Nach der Arbeit fuhr ich in den Statdpark, zum Joggen. Sport hilft, den Stress abzubauen. Acht Stunden vor dem Computerbildschirm hinterlassen ihre Spuren.
Als ich loslief, tränkten die ersten Sonnenstrahlen den Horizont rot und die Hügel des Parks warfen lange Schatten über die Wege, Bäume und Grasflächen. Ich folgte einem dieser Wege, der hinauf auf den nächsten Hügel führte.
In irgeindeinem Sportmagazin stand, wenn man lange genug läuft, dann schaltet das Gehirn die Gedanken aus und konzentriert seine ganze Leitung auf den nächsten Schritt und den nächsten Schritt und den nächsten Schritt.
Mein Atem keuchte und der Schweiss tränkte das T-Shirt - doch meine Gedanken blieben bei...
Ich sitze vor dem Fernseher und lasse mich von dem Cartoonprogramm der Privatsender berieseln. Bis zu dem Moment, in dem ich Sie höre. Nein, nicht Sie, nur Ihre Schritte. Sie hallten durch den Etagenkorridor, unüberhörbar, durch meine Wohnungstüre, durch meine Zimmertüre, bis zu dem Sessel auf dem ich sitze und auf der Fernsehbedienung die "Mute"-Taste drücke.
Die Schritte verharren. Metallenes Klimpern als aus einem Schlüsselbund ein Schlüssel heraus gesucht, in das Schloss geschoben, umgedreht wird. Die Türe geht auf. Schließt sich wieder.
Angestrengt lausche ich in die folgende Stille. Die Wände zwischen den Wohnungen haben eine ausreichende Breite, um die Nachbarn voneinder fernzuhalten, auch auf akkustischem Level. An den meisten Tagen und Nächten beglückwünsche ich mich für diesen Umstand. Doch nicht heute. Nicht jetzt. Noch ein paar Andeutungen von Schritten. Sie öffnet die Fensterrolladen. Dann kehrt entgültig Stille ein.
Seuzend drücke ich wieder die "Mute"-Taste.
Die letzten Schritte musste ich mich zwingen, das Lauftempo beizubehalten. Nach Luft schnappend, erreichte ich die Kuppe des Hügels. Die Handflächen über den Knien abgestützt, atmete ich tief durch, Atemzug um Atemzug.
Kieswege, eine Handvoll kahler Kastanienbäume, drei Parkbänke und zwei Abfalleimer prägten das Bild. Und zwei Rentnerpaare, die je eine Bank für sich beanspruchten. Doch wegen dieser Aussicht waren weder sie noch ich an diesem Ort: Vor dem Hügel erstreckte sich das Panorama der Großstadt, allen vorran die Firmenzentrale des M&V-Konzern und die beiden Twin-Tower. Nein, ich meine nicht DIE Twin-Tower sondern die Twin-Tower.
Die untergehende Sonne hatte den Herbstabend in Brand gsteckt. Rotes Licht durchbrach die kalte Luft. Noch zu warm, um den Atem in einen weißen Strahl zu verwandeln, aber kalt. Ich stützte mich auf die Sitzlehne der freien Parkbank. Und dachte nach. Was konnten zwei Menschen alles an einem Ort wie diesem erleben? Und mir zwei Menschen meinte ich...
Am Abend ertappe ich einen meiner Nachbarn beim Rauchen von Marihuana. Einen Namen könnte ich nicht nennen, denn es dringt nur der Rauch durch das Kipp stehende Fenster. Doch der Geruch ist unverkennbar.
Sie kann es aber nicht sein. Sie raucht schon, dass weiß ich, höre ich, rieche ich, wenn ich an den Abenden auf meinem Balkon sitze und sie eine Trennwand weiter eine Zigarette in der Hand hält. Einmal fand ich sogar eine leere Zigarettenschachtel auf meinem Balkon, die nur sie auf diese Weise entsorgt haben kann. Aber Marihuana habe ich sie noch nie rauchen gerochen.
Irgendeine andere Partei des Wohnblocks muss in ihrer Wohnung oder auf ihrem Balkon mit einer Tüte stehen (oder sitzen) und den Feierabend an sich vorbei ziehen lassen.
Der Vorgang ID zvn7uv verlangte nach einer Bearbeitung. Und so riss ich mich aus den Gedanken los, griff gedankenlos nach der Akte, schlug sie auf, suchte nach der Anlage 3 und begann die Angaben auf ihr mit den Computereinträge abzugleichen.
Keine Differenz. Der Kunde hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen. Die Akte wurde zugeschlagen und auf den "Erledigt"-Stapel abgelegt.
Eine Stunde später stand ich vor dem Abteilungsleiter:
"... hätte er das nicht nochmal abgeglichen, wissen sie, was ich mir hätte anhören müssen? Und sie wissen ja, Scheiße fließt immer nach unten. Das hätte für sie ganz, ganz dumm ausgesehen. Wo ware sie bloß mit ihren Gedanken, als sie ID zvn7uv bearbeitet haben?"
Endlich gelang es mir den Mund aufzumachen und zu antworten/fragen: "Heisst dass, jeder meiner Vorgänge wird noch überwacht?"
"Bitte?" Ihm stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.
"Werde ich hier ständig überprüft? Ob ich auch alles richtig mache? Ist es so?"
"Jetzt drängen sie sich bloß nicht in die Opferrolle, haben wir uns da verstanden? SIE haben einen Fehler gemacht, der dem Steuerzahler eine Menge Geld hätte kosten können."
"Aber ich werde trotzdem überwacht."
"Wenn so etwas nochmal passiert, kann ich für nichts garantieren. Nicht einmal für ihre Stelle..."
Gerade war ich zu der Überzeugung gekommen, sie sei verreist oder in den Urlaub gefahren - einen Umzug hätte ich mitbekommen - da höre ich sei wieder. Ihre Schritte klingen durch die Stimme der Nachrichtensprecherin eines Privatsenders durch. Heute ist nicht viel passiert, die Koalition streitet sich, ein Hollywoodstar bekommt keinen Cameo in einem potentiellen Blockbuster, alles keine Informationen, an die man sich in 10 Jahren einnern wird/muss. Das wirklich Wichtige passiert sowieso nicht im Fernseher, sondern vor der eigenen Wohnungstüre. Dann hinter ihrer Wohnungstüre, als diese wieder ins Schloss fällt.
Heute Nacht soll es Bodenfrost geben.
Kälte in seinem Herzen. Was hielt ihn noch an diesem Ort? Die Akten allenfalls, die sich einem Bleigewicht gleich, an sein Bein krallten und mit sich, in die ewige Tiefe zerren wollten. Wenn sie die nächsten 30 Jahre im Archiv lagern mussten und am Ende doch nur der Reisswolf und dann die Verbrennunganlage auf sie wartete, dann wollten sie wenigstens ein Opfer mitnehmen. Und sei es nur so ein unbedeutendes wie Ihn.
Dessen war er sich ganz sicher. Er lehnte sich vor dem Büro seines Abteilungsleiters an die Wand. Entkommen! Aber wie? Bürokratie gab es überall auf der Welt, überall Akten die auf ihn warten könnten. Freude, Verwandte und Bekannte der hiesigen Akten, die ihnen noch einen Gefallen schuldig waren.
"Geht es dir nicht gut?"
Hoffnungsvoll öffnete er die Augen. Doch es war die die dicke Kollegin aus der Abteilung Drei. Nein, nicht dick. Entschuldigung, eine Überreaktion. Doch ein paar Pfund weniger hätten ihr besser gestanden.
"Danke, mir geht es gut." antwortete er mit trockenem Mund. "Nur der übliche Einlauf vom Leiter."
Bei dem medizinischen Begriff zog die Frau ihre Augenbrauen zusammen und er musste sich eingestehen, dass er in der Gegenwart einer Frau nicht in den selben Jargon reden konnte, den er in Gegenwart der Freunde, die er nicht hatte, anschlug.
Ihre Wege trennten sich wieder.
Schlechter Tag auf Arbeit. Doch kaum dass die Wohnungstüre hinter mir ins Schloss fällt, ist jeder Kummer, jede Sorge wie weggewischt. Heute ist Donnerstag und da lädt sie manchmal ihre Kolleginnen (Kolleginnen? Wieso nenne ich sie Kolleginnen? Freundinnen wäre doch viel wahrscheinlicher. Nur weil meine einzigen Bekanntschaften Kollegen sind, muss dass doch nicht... egal) zu sich ein und dann wird gefeiert. Laute Gespräche hinter den Wänden und Rauch auf dem Balkon. Nach so einen Donnerstag fand ich auch die früher erwähnte Zigarettenschachtel auf meinem Balkon.
Heute ist also Donnerstag und ich sitze vor dem Fernseher, vor dem Abendprogramm und höre zu. Ärgere mich, über diese Lärmbelästigung. Ich sollte meinem Vermieter einen Brief schreiben und auf diesen Missstand hinweisen. Nein, noch besser: Ich verlasse die Wohnung, schelle an der Nachbarstüre und weise die Feiernden auf diesen Missstand hin! Dann wissen sie, dass ich existiere. Greife nach der Fernbedienung und stelle den Ton lauter, auf 72%!
Die Nacht hatte ich schlecht geschlafen. Irgendwas, dass mich wach gehalten hatte. Vielleicht die Rückenschmerzen. Am morgen spielte ich mit dem Gedanken, krank zu feiern, zum Arzt zu gehen und mir neues Tetrazepan verschreiben zu lassen. Doch ich wusste, dass keine dieser Handlungen mein Problem lösen würde. Und so fuhr ich wie jeden Morgen zu Arbeit. Es war ohnehin Freitag, ein weiteres Wochenende wie jedes Stand vor der Türe. Also doch Tetrazepan, um im fröhlichen Rausch durchzufeiern?
Auf Arbeit der gleiche Trott. Ich wusste wirklich nicht, wieso ich dies immer noch aufschrieb, wen sollte eine Erzählung wie diese interessieren? Aber was hatte ich besseres zu tun. Irgendwann, zwischen 9:00 und 10:00 beschloss ich, nach Feierabend laufen zu gehen. Noch so ein Ereignis, dessen Verewigungswert anzweifelbar war. Na ja.
Ich dachte darüber nach, weswegen ich nicht hatte schlafen können? Ringe unter den Augen. Was tun? Endlich näherte sich der große Uhrzeiger wieder der 12 und mit ihm der Feierabend. Ich beschloss, laufen zu gehen. Dieses Mal wirklich.
Nach einer Weile gewöhnt man sich daran, früh aufzustehen. Und wenn es so weit ist, dann wacht man auch an einem Samstag um 6:00 Morgens auf, auch wenn man sich am Abend zuvor drei Mal vergewissert hat, dass die Weckfunktion ausgestellt war.
Stille. In der Wohnung. Vor dem Fenster fährt ein Auto vorbei. Und noch eines. Und noch eines. Und noch eines. Samstagmorgenberufsverkehr.
Ich lausche in die Stille, doch alles, was durchdringen will, sind die Fahrzeuge. Auf die Laute, die die man hofft, hofft man vergebens. Fünf Minuten ziehen durchs Land. Aus zehn Minuten wird eine Viertel Stunde, wird die Gewissheit, dass sie noch schläft. Drüben in der Nachbarwohnung.
Alleine? Nein, das geht mich nichts an. Eins bisschen Privatsphäre sollte ich ihr lassen. So greife ich nach dem Buch dass unter dem Bett liegt und schlage die Zeit mit Lesen tot. Als die Langeweile obsiegt, schalte ich den Fernseher ein. Lautsstärke auf 72%. Vielleicht wacht sie ja jetzt auf.
Und ich wusste nicht, wie ich das Wochenende totschlagen sollte. Am Ende blieb mir nur die unbequemste aller Lösungen: Ich fuhr in den Stadtpark und trieb Sport, effektiv Jogging. Ein Tiefdruckgebiet blies mir Wasser und Wind ins Gesicht und durchnässte - in Kollaboration mit Körperflüssigkeiten - das T-Shirt, Baumwolle, die sich unvorteilhaft auf dem Körper abzeichnete. Einen Körper, der sonst keinen Sport gewöhnt schien. Mir taten die Menschen, die das hautenge T-Shirt sehen mussten leid. Aber lieber die als ich.
Vier Kilometer hielt ich durch, dann, während Kilometer fünf, am Fuße des Hügels, da siegte die Vernunft und ich trottete zum Auto zurück. Der Regen legte sich allmählich. Eine Fahrt zurück über die Verkehrsadern, Ringe genannt, die sich, einer Arteriosklerose gleich, um die Stadt ablegen.
Bei dem Supermarkt an der Ecke rang ich mit mir selbst, dann siegte die Vernunft und ich fuhr auf den Parkplatz und mit einem Einkaufswagen durch die Gänge mit ihrem auf Regalen verteilten Warensortiment. Eine Tiefkühlpizza, eine Choke-Zero und eine Flasche weißen Rum und der Abend war gerettet.
Die meisten Ideen kommen mir, wenn ich Alkohol trinke. Und den Trinke ich in diesem Moment. 1/3 Rum, 2/3 Coke Zero (nicht Choke Zero, wie man mir fälschlich unterstellt hat) 1/3 Eiswürfel. Dann kommen die Ideen von ganz allein.
In der Vergangenheit hatte ich in diesem Zustand schon Ideen für ganze Bücher. Natürlich überstanden diese Ideen keinen Kater, aber einmal hätte ich mich fast in einem dieser Internetforen für erfolglose Autoren angemeldet, Sie wissen schon, diejenigen, die keinen Vertrag bei einem Verlag bekommen und deswegen auf dieser Weise ihre Texte publizieren und vom Durchbruch träumen. Fast hätte ich begonnen, eine fortlaufende Geschichte zu schreiben. Aber dann habe ich lieber geschlafen.
In diesem Moment habe ich genau das richtige Pensum an Blutalkohol erreicht. Angenehmes Gefühl, leicht enthemmt, noch keine Nebenwirkungen. Würde ich es jetzt dabei belassen, hätte ich morgen früh vermutlich nicht einmal einen Kater. Aber das kann/werde ich nicht. Und morgen folgen dann wieder Durst, Kopfschmerzen und Schamgefühl.
Aber darum kann ich mich auch noch morgen Vormittag kümmern. Jetzt stehe ich in der Küche, habe das lange Messer in der Hand und das linke Ohr an die Wand gelegt, in der Hoffnung, einen Laut aus der Nachbarwohnung zu hören.
Am Morgen wachte ich mit Kopfschmerzen, einem abgestandenen Geschmack auf der Zunge und mehreren dünnen Schnittverletzungen an den Handgelenken auf. Nichts ungewohntes also, auch die Erinnerung an das Zufügen der Verletzungen fehlte. Das bedeutete dann wohl mal wieder langärmelige Hemden bei der Arbeit zu tragen. Alles im grünen Bereich.
Ärgerlicher empfand ich den Umstand, dass ich offenbar vor dem schlafen legen kein Wasser mehr getrunken hatte, weswegen ich a) bis Mittag durchschlief, b) zwischen nicht aufwachte um Wasser zu trinken und c) deswegen stechendere Kopfschmerzen hatte, als an den anderen Wochenenden. So blieb nur der Griff zum Aspirin.
Hunger hatte ich noch keinen. Sport war auch keine gute Idee, ich wusste nicht wieso, doch es erschien mir so. So blieb nur der Griff zur Fernbedienung...
Was war letzte Nacht alles passiert? Dumpfe Erinnerungen an... an... Habe ich die Wände abgeleckt? Nein, unmöglich. So etwas würde ich niemals tun.
Doch was dann?
Das Vormittagsprogramm von Pro7 zeigte Disneyfilme.
Es gelang mir die Ursache für die Schnittwunden vor mir selbst zu verschleiern. Das ich keine Fragen stellte, kommt mir zu Hilfe. So sitze ich nun da und warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. Warte. So, jetzt ist genug.
Und dann, plötzlich...
Auch wenn ich mir lieber die Zunge durchgebissen, sie zerkaut und runtergeschluckt hätte, als das folgende zuzugeben, war ich froh, als wieder Montag und ich auf Arbeit war. Wieder im Büro, wieder mit den Kollegen, wieder ... Na ja, sie wissen schon.
Der Vorgang ID 15raa1 wartete schon. Das hieß, den Computer hochfahren, sich einen Kaffee holen, das Programm zur Vorgangsbearbeitung öffnen, auf Toilette gehen und dann die Arbeit verrichten. Und ganz genau darauf achten, dass man nicht den Fehler von vergangener Woche wiederholt.
Irgendwann stand der kleine Zeiger auf der 11, dann hieß es Computer runterfahren, Büro verlassen, Türe abschließen ... sich in der Kantine in die Reihe stellen.
Menschen um ihn herum lachten. Jemand sagte: "Was haben Flugzeuge und Frauen gemeinsam. Beide haben ein Cockpit" und dann stimmte ich in das Lachen mit ein.
Doch am Ende fand ich mich alleine an einem Tisch sitzend wieder. Kein Grund, zum klagen, nur ein Grund zum Nachdenken. Und raten sie mal woran...
Zum Beispiel an Regenbögen und Sonnenschein, an Elfen, Feen und Satyre, und an taubesprenkelte Auen im Morgengrauen. An lachende Kinder, die glücklich auf Spielplätzen spielen. Menschen, die von jeder ihrer Ängste befreit sind. Eine Zukunft, in der sie und ich ein gemeinsames Leben führen, in dem wir auf dem Dach eines Hochhauses stehen und singen und tanzen und lachen und eine Grund haben, zum nachdenken. Und raten sie mal woran...
An tote Aststümpfe, die nach verängstigen Frauen greifen , die alleine durch finstere Wälder irren. Zombies, Skelette und Wiedergänger und faulende Giftpilze in der Mitte eines Kraters. Kinder, die von Dämonen in Stücke gerissen werden. Menschen, die ständig mit der Angst leben müssen, an einem Morgen mit aufgeplatztem Brustkorb und herausgerissenem Herz aufzuwachen. Eine Zukunft, in der ich sie töte und mich mit ihrem verwesenden Leichnam auf dem Dach eines Hochhaus verschanze, auf die Ruinen einer postapokalyptischen Welt blicke und mit ihr Unzucht praktiziere und eine und einen Grund habe, nachzudenken. Und raten sie mal, woran...
Nach dem Mittagessen wird weiter gearbeitet, weiter Pausen gemacht, weiter aus dem Fenster gestarrt. Ein paar Vögel hatten noch immer nicht den Weg nach Süden gefunden und hockten auf einem nahen Baum einem kahlen Ast und schienen geb Boden zu spähen, vielleicht nach ein paar fallen gelassenen Essensresten. Lieber hätte er diesen Vögeln ein 6-Gänge-Nebü serviert, als der Arbeit nachzugehen. Doch sein Chef hatte da noch ein Wörtchen mitzureden.
Wieder wandte er sich dem Computerbildschirm zu und seine Fingerkuppen tropften zäh auf die Tastatur herab und gaben Worte in das Programm ein. Selbst den Vögel war dies zu langweilig, denn als er das nächste Mal aus dem Fenster sah, waren sie verschwunden. Ihm viel auf, dass die Worte Vögeln und vögeln ziemlich ähnlich klangen. Ob das so im Sinne des Erfinders gewesen war?
Irgendwann später, die Vögel waren längst zurückgekehrt, klopfte es an der Türe und die Kollegin kam herein. Die Kollegin, die in seinen Augen ein paar Kilo hätte abnehmen können. Sie fragte nach, wie sie einen Vorgang bearbeiten sollte, und er erklärte es ihr. Danach wchselten sie noch ein paar Worte.
"Und wie hast du das Wochenende verbracht?"
"Ich war auf einer Pornomesse." log er. Er hatte die Plakate dafür in der Stadt gesehen.
"Aha... Schön." Mehr schien der Frau nicht einzufallen.
Und wieso sollte ihr auch mehr einfallen, als "Hallo" zu sagen, während er auf dem Gang des Treppenhauses an ihr vorbei schleicht, sie steht mit dem Rücken zu ihm und mit der Augen zu der Türe ihres Apartments, den Wohnungsschlüssel in den Fingern und schiebt ihn mit einem leisen Geräusch in das Schloss, während er das Ende der Treppe erreicht, sich an ihr vorbei drückt und auf die Türe seines Apartments zugeht.
"Guten Tag."
"Hallo."
Das war es dann auch schon. Zwei Schlösser werden aufgeschlossen, zwei Türen geöffnet, Schritte, zwei Türen werden geschlossen und es könnet auch genau so sein, dass die letzten 30 Sekunden sich nie ereignet hätten.
Er lehnt sich an die Wand, fährt sich mit der freien Hand - die andere hält noch immer den Schlüssel - über den Kopf und zieht die mit feinen Schneeflocken bedeckte Mütze von le Frog herunter. Feuchtigkeit, als die Schneeflocken schmelzen. Sein Herz pocht bis unter den Hals und als er wenig später in den Spiegel im Badezimmer blickt, ist sein Gesicht noch immer gerötet.
Ich weiss, dass etwas geschehen muss.
Und so war es dann auch. Etwas geschah, die Kollegin verließ das Büro wieder und er fand sich aleine zurück. Zusammen mit den Vögeln, die ihn durch das Fenster anstarrten.
E seufzte. Diese Tiere hatten es einfach. Sie brauchten nur die Flügel auszubreiten um diesen Ort zu entkommen. Nahrung fanden sie in den zahllosen Futterstellen der Schrebergärten, ja selbst nterkünfte bauten ihnen die Menschen. Er dagegen musste auf diese Weise sein Geld verdienen um Miete, Strom, Wärme, Wasser, Steuer und, und, und zu bezahlen.
Diese Vögel hatten es es gut. Zu gut, für seinen Geschmack. Er durch suchte die Schiubladen seines Schreibtisches nach dem dicksten Gummiband, dass sich finden ließ, ließ es einmal auf seinen Handrücken schnalzen um zu prüfen wie schwerzhaft es war - es war äußerst schmerzhaft - und dann öffnete er das Fenster, dass dem Baum am nächsten war.
Die Vögel nahmen die Bewegung wahr, breiteten ihre Flügel aus und entkamen diesem Ort. Plötzlich kam er sich mit dem Gummiband zwischen Daumen und Zeigefinger dumm vor. Und beschloss, nach der Arbeit im Stadtpark laufen zu gehen.
Jemand hat mit Tesafilm neben den Fahrstuhl im Treppenhaus einen Zettel geklebt. Darauf steht:
Was sind sie nur für ein Mensch? Sie klauen den Vögeln das Futter. Die Vögel frieren doch im Winter und sie haben das Vogelfutter einfach zu Spaß aus dem Garten gestohlen. Zeigen sie Anstand und bringen sie das Futter wieder zurück!
Der Zettel war an niemanden gerichtet, trotzdem habe ich ihn abgerissen und mitgenommen. Mich stört einfach, dass der oder die SchreiberIn die zuerst gestellte Frage nicht beantwortet. Es ist ein Zettel aus braun-liniertem Papier, Umweltpapier vermute ich. Wie es wohl schmeckt?
Bevor ich der Frage eine Antwort schenken kann, höre ich in der Nachbarwohnung den Staubsauger laufen und so setze ich mich auf einen Stuhl und höre in aller Ruhe mit. Wie sie wohl schmeckt?
Natürlich wie jeden Tag. Das Kantinenessen unterschied sich an keinem der Wochentage, egal ob es Currywurst mit Pommes, Schweinebraten oder Erbseneintopf gab. Der Geschmack untreschied sich allenfalls in den Details und wenn man hier lange genug arbeitete und aß, dann unterschied zuletzt die eigene Zunge nicht mehr zwischen den oben genannten Speisen.
Er blickte sich um. War heute Mittwoch oder Donnerstag? Donnerstag, oder? Das Wochenende nahte schon wieder, doch er verstand dies nicht als Chance sondern als Drohung. Wo saß eigentlich die Frau, die ihn am Montag gefragt hatte, was er am Wochenende getan hatte? Ah, ja, dort drüben, in der Mitte einer Gruppe von Frauen, die sich angeregt unterhielten. Er brauchte keine verbalen Ausdrücke, um sich zu unterhalten. Ihn genügte schon, dass....
Ein leidiges Thema bei Mieterstreit ist das Duschen. Fließendes Wasser = Geräusch = Ärger mit den Nachbarn. Wer um sechs Uhr morgens duscht, der bekommt natürlich keine Probleme, aber um zwei Uhr morgens ...
Ich bin da viel toleranter. Wenn ich höre, wie die Dusche in ihrer Wohnung zu fließen beginnt, würde ich niemals und unter gar keinen Umständen auf die Idee kommen, eine Beschwerde zu schreiben. Egal zu welcher Uhrzeit sie duscht. Ich meine, stellen sie sich vor, meiner Beschwerde würde stattgegeben und sie hört auf zu duschen?! Nein, dann schon lieber ...
So auch an diesem Morgen. Ich liege in meinem Bett und plötzlich beginnt das Waser zu laufen. Und alles, was ich tun muss, ist die Augen schließen und ...
... er wieder einmal zu joggen kam. Ja, genau, ein paar Kalorien verbrennen. Das Kantinenessen fiel in letzter Zeit sowieso viel zu fett aus, mit seinen Soßen und seinen Desserts. Außerdem schlug man durch Sport die Zeit tot. Und so band er sich nach der Arbeit die Schuhe um und lief los. Es war kalt, natürlich, es war Dezember, doch mit einer Trainingsanzugjacke und eine lange Hose und der Wärme, die sein Körper bald aus allen Poren schwitzte, hätte es auch genausogut Sommer und 34°C im Schatten sein können.
Zunächst hatte er nur den Park angesteuert, doch die Kraft in seinen Muskel wollte an diesem Nachmittag, bald Abend, nicht versiegen. Er lief immer und immer und immer weiter. Durch den Park, über die dahinter liegende Brücke, die sich 200 Meter über den Fluss spannte und auf die Türme zu. Die Twin-Towers. Dieser Stadt. Da lagen sie vor ihm, noch 1,5 oder zwei Milometer entfernt und ragten wie zwei erhobene Finger in den Himmel. Er lief immer weiter auf sie zu.
... plötzlich steht sie da. Im Schatten der Twin Towers. Ich bleibe stehen, außer Atem, wische mir den Schweiß von der Stirn und blicke mich um. Die Sonne ist hinter dem Horizont verschwunden und nun erhellt Kunstlicht die Stadt. Das Kunstlicht aus Straßenlaternen, Autoscheinwerfern - und erleuchteten Büros in Hochhäusern.
Ebenerdig reihen sich in dem Twin Towers noch Cafes, Kiosks und Back-Shops aneinand, die zu dieser Tageszeit fast alle geschlossen und somit abgedunkelt sind. Aber aus den oberen Etagen erstrahlt helles Licht die Stadt.
Wie schon gesagt - fast alle der Kiosks, Back-Shops und Cafes sind geschlossen, doch in einem herrscht noch Betrieg, in einem sitzen noch Kunden an den Tischen.
Und das ist der Moment, in dem ich meine Nachbarin sehe. Da sitzt sie, vor einer Tasse Kaffee und einem Teilchen an einem Tisch Sie sitzt dort nicht alleine. Ich muss einen Schritt zu Seite gehen und meinen Blickwinkel verändern, um erleichtert festzustellen, dass sie einer Frau gegenübersitzt. Beide Frauen tragen Businesswear. Neben meiner Nachbarin steht ein Aktenkoffer. Ich muss gestehen, bis dato hatte ich sie immer für eine Studentin gehalten. Oder eine june Frau, die nebenbei jobbt. Aber nicht für eine Frau, die ich an diesem Ort, in diesem Outfit antreffen würde.
Zeit umzukehren und nachzudenken.