ID novqrn
Sehnsucht
Ich bin bereit. Da steh ich, bin bereit. Bin ich bereit? Wofür bereit?
Ich kann nicht zurück. Es gibt kein Zurück. Es-gibt-kein-Zurück. Bin ich bereit? -
Wofür? Man muss etwas tun. Einer, nein, ich muss etwas tun! Ich werde etwas tun! Ja. Ich seh sie schon vor mir. Schockiert!-
Ich werde etwas ändern, hoffentlich. Ich werde ihnen die Augen öffnen. Allen werde ich sie öffnen. Sie erleuchten. Wie makaber. Sie erleuchten!
Sie dürfen mich nicht bemerken, noch nicht. Ich muss es bis in die Mitte des Platzes schaffen. Damit ich der Mittelpunkt bin, in ihrer Mitte bin - damit sich etwas ändert - damit ich etwas verändere. Ich muss verhindern, dass sie etwas ändern; wenn schon sonst keiner etwas unternimmt. Denn, wenn es so weitergeht, dann will ich hier nicht mehr leben. Ich kann hier nicht mehr leben. - Nicht mehr leben. Nicht mehr leben!
Die Anderen... vielleicht verstehen sie es nicht - Sie akzeptieren es! Akzeptieren sie es? Sie werden es realisieren! Vielleicht werden sie es nicht verstehen, aber sie werden es realisieren! Und ich, ich werde ihnen die Augen öffnen; damit sich etwas ändert; damit diese Welt besser wird. - Eine bessere Welt... - ... ruhig, schön, wunderschön ... -, in der man etwas sagen darf; sagen darf, was man denkt. - Die Gedanken sind frei. - Bald werde ich frei sein.
Mich trennen vielleicht sechzig Meter - sechzig Meter, wie lang sie doch sind! Wie gewaltig sie sich von hier bis zur Mitte erstrecken - zur Mitte - trennen mich von ihr, der Freiheit. Sechzig Meter trennen mich, sechzig lange, endlose Meter. Und selbst wenn ich dort bin, dort drüben, da steh, in der Mitte des Platzes, - jeden Zentimeter erklommen, Schritt für Schritt - mit meinen eigenen Füßen, erklommen wie eine steile, unüberwindliche Felswand, selbst wenn ich angekommen bin- dort an diesem Ort- bin ich immernoch nicht da; trennt mich immernoch etwas von der Freiheit.
Und ich weiß noch nicht einmal was! Ich weiß was! - Aber wie wird es sich anfühlen? Wie lang wird es dauern? Wie lange wird es mich von der Freiheit trennen, hier behalten?
Wieso ist es diesmal anders? Wieso?- Wieso kann ich nicht einfach rüber gehen, die Sache durchziehen, und - und ich wäre erlöst. Erlöst! - von dieser Welt. - Wieso? Was hält mich zurück? Warum? Feigheit? Feigheit!
Alles ist doch normal, wie immer. Die Häuser mit ihren bröckelnden Fassaden, die alten, aristokratischen Häuser. - Wie "sozialistisch"!- Sozialistisch - sozial ... - Sozial! Lachhaft! Die tauben Menschen in den Häusern, sie halten sich die Hände vor das Gesicht, obwohl sie sowieso wegschauen, damit sie ja nichts mitbekommen. Die werden Augen machen.
Ich muss los. Ich muss endlich los. Was mach ich hier überhaupt noch? Vorhin war es doch auch noch ganz leicht! Ich bin normal zur Türe raus, hab mich von allen verabschiedet. Hab mich vorbereitet. Alles war, wo es sein sollte. Ich - spürte, wie es kühl wurde auf meiner Haut, eine betäubende Kälte - sah nach, ob ich Spuren hinterlassen würde, zog den Mantel über. - Ich ging los. Ich muss auch jetzt gehen. Muss los. Ein Schritt nach dem anderen. Ein Fuß vor den anderen. - Sie bewegen sich. Meine Füße bewegen sich. - Einer nach dem anderen. Es geht los. Mein Herz pocht. Ich spüre es, klar, deutlich. Hoffentlich verrät mich nichts. Ganz langsam. Über jeden einzelnen Pflasterstein balanzieren. Ganz ruhig. Immer weiter. Stück für Stück - Eine Sirene. Gilt sie vielleidht mir? Gilt sie villeicht später mir? - Es pocht. Schritt für Schritt.
Ich bin da! Ich bin schon da? Gerade erst war ich noch dort drüben. Und jetzt, jetzt bin ich da. Aber noch nicht am Ziel. Nicht am Ziel. - Es pocht. - Ich hab es doch schon fast geschafft. Ich bin doch schon hier. - Umdrehen? Soll ich? Soll ich wirklich? Heimlaufen und so tun, als ob nichts wär, so tun, als ob nichts gewesen wäre? Zurück? Es - gibt - kein - Zurück! Feigling! Du verdammter Feigling! Feigheit! - Es pocht.
Es ist doch ganz einfach. Ich muss es nur aus der Manteltasche holen - So wie der da! Aufklappen und - Mein Gott, wenn mich jemand mit einer Zigarette angerempelt hätte, wenn mich jemand mit einer Zigarette anrempelt! - Hat er? Oder sie vielleicht? - Es pocht - Nein. Puh. - Aufklappen - nur er hat eine - Aufklappen, den Daumen auf das Rad legen, nach unten drücken. - Es wärde doch ganz einfach. Es ist doch ganz einfach. - Und schon wäre es vorbei, wäre ich erlöst. Warum ist es nur so schwer?
Meine Hand zittert. - Es pocht - Es wird kalt in meiner Hand. Werd ich es überhaupt halten können? Was, wenn es runterfällt? Wenn es nicht mehr geht? Ich habs doch überprüft! Es ist so kalt. Aufmachen. Ich mach es auf. Den Daumen auf das Rad legen, runter drücken!
- Es passiert nichts! Ich sehe die Flammen, aber es passiert... -
- Es wird warm -
- AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH -
Mach, dass es aufhört! Es soll aufhören. Wieso kann ich mir nicht die Haut vom Leib reißen. Es soll aufhören. - Die Hölle, das muss die Hölle sein! - Warum hilft mir denn keiner? Warum kann ich nicht um Hilfe schreien. Warum hört das nicht auf. Dieser Schmerz! Dieser Schmerz! Dunkel. Am Boden.
Vor meinen Augen, er redet irgend etwas. Ich höre nichts. Die ganze Welt ist still. Stumm! - Kein Pochen - Dieser Schmerz!
Warum bin ich nicht stehen geblieben. Ich kann mich nicht erinnern. Bin nicht standhaft geblieben.
Bin taub. - Er redet immernoch. - Bin taub. Ich seh ihn nicht mehr. Es wird dunkel.
- Freiheit -
ID novqrn, 171 months ago
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