Episode 4
Eilig hetzte eine Frau mittleren Alters in schwarzem Rock und blauer Bluse zur Bushaltestelle und schaffte es gerade noch, einzusteigen, bevor die Türen sich schlossen.
"Halten Sie auch in der Nähe des Polizeireviers?" erkundigte sie sich hektisch. Nach dem Nicken des Fahrers stöhnte sie erleichtert auf und suchte sich einen Sitzplatz. Mit dem nervösen Wippen ihres Fußes und dem ständigen Kneten ihrer Hände verärgerte sie schließlich die geschäftigt aussehende Frau neben sich, sodass diese sie ansprach. "Könnten Sie das bitte lassen? Mir wird auch so schon schlecht von dieser Schaukelei."
"Tut mir leid, tut mir leid!" rief Erstere. "Bitte verzeihen Sie, es ist nur so, dass meine Tochter verschwunden ist! Ich muss jetzt aufs Polizeirevier und nach ihr fahnden lassen, oh Gott, bitte lass ihr nichts passiert sein..."
"Oh, das konnte ich nicht wissen, entschuldigen Sie. Aber die taucht schon bald wieder auf, wahrscheinlich hat sie beim Spielen nur auf die Zeit vergessen."
"Nein, wir wurden gestern Nachmittag am Wielinger Bahnhof getrennt und seitdem ist sie unauffindbar. Ich habe natürlich gleich dort das Sicherheitspersonal verständigt und bin dann zu meiner Tante gefahren, weil ich dachte, sie könnte schon dort sein, aber sie war nirgendwo. Und weil man 24 Stunden warten muss, bis man jemanden als vermisst melden kann, kann ich das erst jetzt tun! Wer weiß, wo mein Mädchen jetzt schon steckt!"
Die Geschäftsfrau gab noch ein paar ihrer Ansicht nach angebrachte Phrasen von sich, bevor die arme Mutter aussteigen musste. Sie verstand, wie schlimm es für diese Dame gerade sein musste, denn auch sie hatte vor Kurzem einen lange Zeit wichtigen Teil ihres Lebens verloren. Allerdings war das nicht versehentlich passiert, sondern ihre eigene Schuld gewesen. Sie hätte sich nicht so sehr ihrer Karriere widmen, sondern größeren Wert auf ihre Beziehung legen sollen.