"Wenn du Gottes Sohn bist, so stürze dich von hier hinab, denn es heißt in der Schrift: "Seinen Engeln befiehlt er, dich zu behüten" und: "Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt""
Da antwortete ihm (dem Teufel) Jesus: "Die Schrift sagt: "Du sollst deinen Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen" (lk. 4.1)
Der Teufel sah Jesus, der noch immer vollkommen ruhig ihm gegenüber stand, tief in die Augen. Dieser Kerl hatte seit langem nichts gegessen, aber dennoch wollte er nicht von Gott abweichen! Jesus war solch ein Narr! Satan erkannte, dass er auf diese Weise keinen Erfolg haben würde.
"Verdammt nochmal, Jesus", brüllte er. Jesus zuckte überrascht zusammen.
"Du bist ein Narr, weißt du das? Dein Gott ist nichts anderes, als ein verlogener, unbarmherziger Saddist! Denk einmal darüber nach! Er lässt dich seine Arbeit machen und was kriegst du dafür?"
Jesus setzte zu einer Antwort an, aber Satan unterbrach ihn. Selbst wenn Jesus hätte etwas sagen können, so wäre es ein schmächlicher Versuch gewesen, seinen tyrannischen Vater zu rechtfertigen.
"Er lässt euch alle hier verrecken! Das einzige, wozu er euch geschaffen hat, ist, seine Botschaft zu verkünden! Er ist ein Egoman, Jesus! Das einzige was für ihn zählt ist seine Macht! Verstehst du, Jesus? Er nutzt dich aus und du freust dich auch noch darüber? Er will ganz und gar nicht das Beste für euch Menschen! Er spielt mit euch wie es ihm gerade passt! Gott ist genau wie jeder Mensch: Er macht sich alles, was nicht seinesgleichen ist, unterthan, zerstört die Erde, ist Egoistisch und Egozentrisch!"
Jesus wandte seinen Blick ab. "Das ist nicht wahr!", stotterte er. Leise fing er an zu beten.
Satan lacht hämisch. "Oh, es ist wahr, glaub mir! Oder hast du ihn jemals getroffen? Hast du? Nein, natürlich hast du nicht! Ganz im Gegensatz zu mir; ich bin sozusagen sein Kollege. Ich sehe, wie er jeden Tag gieriger wird! Jeden Tag greift er stärker nach Macht!"
Nun wandte sich Jesus ab und ging davon. Schlechter Verlierer.
"Jesus!", rief Satan ihm nach. Jesus blieb stehen, drehte sich aber nicht um.
Langsam folgte Satan ihm. "Ich kann dir helfen. Ich allein! Ich bin nicht der, für den du mich hältst. Gott versucht in seiner Machtgier, mich zu verleumden! Er will nicht, dass ich genauso viel Macht habe, wie er. Alles, was du über mich weißt... das sind alles Lügen! Schließ dich mir an! Zusammen können wir diesen Tyrannen stürzen und in der Welt für Frieden, Glück und Freude sorgen! Das willst du doch, oder etwa nicht? Ich will genau dasselbe! Also, was sagst du?"
Jesus wandte sich um und sah den Teufel scharf an. "Woher weiß ich, dass du nicht lügst?"
Satan lachte. "Nun, das kann man nie wissen! Ich kann es dir schwören, aber das wird nchts bringen."
Jesus zögerte. Natürlich wusste er nicht, ob er Satan trauen konnte, aber andererseits war dessen Angebot verlockend.
"Gott würde es sicher nicht zulassen", wandte Jesus ein.
"Natürlich würde er es nicht wollen, aber was will er dagegen tun?", antwortete Satan und sah Jesus erwartungsvoll an: "Also?"
Jesus atmete tief ein und aus. Noch immer zögerte er.
Im nächsten Moment fiel etwas vom Himmel, erst ganz unscheinbar, dann aber ein unverkennbares Omen.
Eine weiße Feder sank zwischen den beiden zu Boden.
Satan blickte auf und erblickte einen riesigen Schwarm von weißen tauben. Es waren tausende, wenn nicht hunderttausende.
"Oh nein! Du wirst mich nicht zwingen können!", schrie Satan in den Himmel, dann wurde er von den tauben umringt. Überall um ihn herum waren sie nun. Satan fuchtelte wild mit den Armen, aber er konnte nichts gegen diese weiße Wand ausrichten.
Er spürte, wie er gepackt wurde. Von allen Seiten wurde an ihm gezerrt und gezogen. Was mit Jesus geschah, konnte Satan durch die vielen vögel nicht erkennen.
Schließlich spürte er, wie seine Füße vom Boden abhoben.
"Nein!", schrie er und wehrte sich erfolglos gegen die Tauben. Gottes Boten aber blieben unerbittlich und zerrten ihn hinfort.
Und wieder, dachte Satan, gewinnt dieser Tyrann! Aber ich werde nicht aufgeben, für die Menschen zu kämpfen!
Jesus sah Satan hinterher, der von hunderttausenden Tauben fortgetragen wurde. So erging es also den Feinden Gottes. Er beschloss, dieses Geschehniss zu vergessen und weiter dem Herrn zu dienen.
Man sagt, der Teufel stecke im Detail. Eine Kinderhand, die dich auffordert sie zu halten? Ein Bettler, der dich am Mantel zupft? Ein junges Mädchen, das am Strassenrand weint? Ein Zigeuner mit Zähnen aus Gold, der dir eine Rose verkauft? Du, der Du denkst: Nur einmal und niemand wird davon erfahren....
Der Teufel hat seine Schleichwege. Selten zeigt er sich in der Wüste. Er hält sich gerne im Paradies auf, denn da gefällt es allen, nicht nur dem Belzebub.