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Information: Eines nachts in der Hauptstadt.
Versteht mich an dieser Stelle nicht falsch: Die Geschichte könnte sich in jeder Stadt oder Siedlung oder jedem Weiler ereignen. Aber in diesem Fall ereignet sie sich halt in der Hauptstadt.
Elf Uhr Abends, irgendwo zwischen dem Bahnhof „Zoologischen Garten“ und dem Beginn des Kurfürstendamms. Auf der anderen Straßenseite sehe ich die Ruine von dieser Kirche, deren Namen ich jetzt natürlich hätte googeln können, doch es verleiht der Geschichte mehr Authentizität, wenn ich so tue, als wisse ich ihn nicht.
Beidseitig der Bürgersteige liegen Filialen von Fast-Food-Franchises, die den Passanten Burger oder Sandwichs oder Donuts anbieten wollen. Letzteres ist für einen Touristen aus dem Süden oder Westen der Republik (keine genaueren Angaben!) eine Erwähnung wert, denn „DD“ gibt es bei uns nicht. Aber das nur am Rande.
Und vor irgendeiner dieser Filialen haben sie sich zusammengerottet: kahle oder stoppelige Schädel, die Oberkörper in gedrungenen Jacken und, um das Klischee abzurunden, Kampfstiefel. Die Farbe der Schnürsenkel lässt sich von meiner Straßenseite nicht erkennen, aber ob dieser Dresscode noch aktuell ist, weiß ich ehe nicht.
„Ich (beleidigendes Verb) alle (ethnische Minderheit).“, ruft einer von ihnen in die Nacht. (im Rahmen von drohenden juristischen Konsequenzen spare ich an dieser Stelle die Details aus)
Natürlich ziehen sie so die Aufmerksamkeit von uns, den Normalen, auf sich. Aber eingreifen? Dazwischen gehen? Oder zumindest einmal ansprechen, was das soll? Wird keiner von uns machen. Stattdessen wenden wir geschlossen den Kopf ab, denken uns unseren Teil und gehen weiter, erleichtert nicht zu denen dazu zu gehören.
Es liegt nicht einmal daran, dass in den vergangenen Wochen in dieser Stadt medienwirksam zwei Menschen krankenhausreif geschlagen wurden. In jeder anderen Stadt würde ich mich genau so verhalten. Nichts zu tun und abwarten hat dieses Land zu dem gemacht, was es heute ist.
Ich, alleine gegen eine Horde von Nazis? Ich bitte euch … Wichtig ist doch nur, dass man gegen Nazis ist. Oder?

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