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Niemand war darauf vorbereitet.
Das Abendrot war dermassen intensiv an diesem Tag, dass der Mensch stumm stehen bleiben musste und seinen Blick nicht vom Himmel abewenden konnte. An diesem Abend ist Gott in einen tiefen Schlaf gefallen. Er pulsierte weiter wie die Sonne, aber er war nicht mehr bei Bewusstsein.

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Die Engel wurden von einem leichten Zittern erfasst, von einer Art schwachem Dauerstrom, der ihnen das Aussehen eines Hologramms gab. Ihre Eigenschaft zu Sehen war etwas unfokusiert. Ihre Gestalten bewegten sich nicht mehr im gleichen Rhytmus. Sie waren sehr beunruhigt. Ein Gefühl, das sie nicht kannten. Eine Disharmnonie auf den Wellen des Lichts, welche sie trugen. Als wären Raum und Zeit zu einem wogenden, wilden, stürmischen Ozean verwandelt, auf dessen Wassern die Schiffe ihren Kurs nicht mehr beibehalten können. Man konnte den Himmelsrichtungen nicht mehr vertrauen.
Und irgendwo regte sich die dunkle Energie des Teufels, dessen Boten ausschwärmten, wie Zugvögel. Als sie ausschwärmten, fühlte Erzengel Michael eine Erschütterung seiner Seele und fühlte das erste Mal Angst, wobei er das neue Gefühl vorerst nicht deuten konnte.

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Ein Beben durchzog das Paradies und riss Erzengel Michael aus seinen Gedanken.
"Schließt das Himmelstor!", rief er den Wächtern zu, die dessorientiert einer Scharr von Seelen Einzug in das Paradies gewährten, doch diese reagierten nicht. Genau wie jeder andere Engel hielten sie sich panisch ihre Köpfe und suchten nach einer Antwort für das Chaos, welches ausgebrochen war. Doch ihre Suche war vergebens.
Sie brauchten dringend Führung von höher Gestellten, doch er selbst war noch wie paralysiert und atmete schwer. Der stechende Schmerz in der Seele von Erzengel Michael war noch nicht gewichen und er sah, wie sich nun die meisten Engel auch ihre Brust hielten. Sie hatten noch nie Angst, geschweige denn Schmerz gefühlt und drohten sich nun selbst zu verlieren.
"Ruhe!", gellte eine unverkennbare Stimme durch Eden und sorgte dafür, dass sämtliche Engel vor Schreck verstummten und aufschauten. Eine Gestalt mit vier Flügeln schoss über die Köpfe der Engel hinweg und hielt direkt auf das Himmelstor zu. Noch immer versuchten Seelen das Tor zu passieren, doch mit einer Handbewegung des Erzengels schlossen sich die goldenen Pforten des Tor`s wie von selbst. Das wellende blonde Haar wirbelte im Pfadwind als er auf Erzengel Michael zuhielt.
"Gabriel! Was ist passiert?", begrüßte Michael ihn und flog ihm entgegen.

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Gabriel blickte ihm tief in die Augen: „Ich höre den Ton nicht mehr. Ich weiss zwar, dass er da ist, aber ich fühle ihn nicht. Wir sind verloren ohne seinen Ton!“
„Er schläft also“, sagte Erzengel Michael und schaute sich um. Das Tor war geschlossen, aber vor dem Tor drängten sich zahllose Gestalten. Seelen in allen Farben und viele blasse, graue darunter, welche sich nicht bewegten.
„Selbstmörder“, dachte Michael.
Gabriel:
„Was tun wir mit all diesen Seelen? Alle haben ihre vierzig Tage nicht durchwandert nach ihrem Tot. Ihre Läuterung ist nicht eingetroffen. Sie wissen nicht, dass sie tot sind. Sie glauben noch zu leben.“
„Es herrscht Chaos. Niemand weiss, was zu tun ist.“
„Ich werde Gott versuchen zu ersetzen. Jemand muss für Ordnung sorgen. Jemand muss Abraxas zurückhalten, sonst ist unsere Welt verloren.“
„Abraxas hat lange auf diesen Augenblick gewartet. Er will die Welt und die Seelen in eine Dualität verwandeln, uns die Einzigartigkeit nehmen, uns durchmischen mit seiner Begierde nach dem ewigen Leben der Sinne. Wir müssen den Lebensbaum schützen.“
„Wir müssen die Toten retten.“
„Wir müssen die Lebenden führen.“
„Wir müssen Gott halten. Wenn er schläft, ist er wie tot.“

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"Am Besten können wir das, wenn wir Abraxas direkt angreifen. Wir dürfen nicht zulassen, dass er den Menschen Leid zufügt", stellte Gabriel fest.
"Nein, wir dürfen auf gar keinen Fall auf die Erde! Warum glaubst du, hat Gott so lange dafür gesorgt, das wir unerkannt bleiben?"
Gabriel schaute ihn aus seinen tief-blauen Augen, entschlossen an. "Weil er wollte, dass die Menschen ihr Leben nach ihren Ermessen gestalten. Sie sollten völlig frei sein und ihre eigenen Entscheidungen treffen! Ohne das sie glauben sich nach den Wünschen Gottes richten zu müssen."
Obwohl Michael, gleichgestellt mit Gabriel, einen der Erzengel bildete, erschreckte es ihn immer wieder, wie die Stimme von Gabriel einen berühren konnte. Gabriel strahlte durch alles was er tat unerschütterliche Entschlossenheit aus, manchmal sogar so stark, dass er nicht merkte, dass er in seinen Tun falsch lag.
"Ganz genau, deshalb dürfen wir auch nicht auf die Erde!", wiederholte Michael.
"Wir können auch unerkannte gegen die finstere Armee vorgehen!"
"Glaubst du das wirklich? Glaubst du wirklich, dass du das kannst?"
Sofort bereute der Erzengel seine Worte. Regel eins war, dass man niemals einen anderen Erzengel, ob direkt oder undirekt, herausforderte.
Erst recht nicht Gabriel.
"Halte hier die Stellung, ich werde die Krieger des Lichts mobilisieren und Abraxas in seine Schranken zurückweisen. Ich lasse nicht zu, dass die Menschen durch ihn leiden. Außerdem wird er die Erde nur als Sprungbrett benutzen um zu uns zu gelangen!"
"Es ist mir klar, dass er dies als Chance sieht, den Allmächtigen zu stürtzen, aber wir sollte erstmal den Rat einberufen um..."
Gabriel schnitt ihm das Wort ab. "Rufe mich, wenn der Rat tagt, wir haben nicht viel Zeit und ich muss eine Armee mobilisieren!"
Somit erhob er sich elegant wie immer und flog über die noch immer stillen Engel.

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Michael rief den Grossen Rat zusammen. Gabriel mobilisierte die Himmelsritter. Aber auch Abraxas wusste, was er zu tun hatte.

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Abraxas trommelte gleichmäßig, mit seinen dünnen Fingern, an deren Enden sich messerscharfe Fingernägel befanden, auf die Lehne seines Throns.
"Langsam werde ich ungeduldig...", zischte er und obwohl Abraxas es langsam und ruhig aussprach, konnte jeder der ihn näher kannte an seinen funkelnden Augen erkennen, dass er kurz vor einem Wutausbruch stand. Er hasste es zu warten.
Ein kleiner Mann mit einem Buckel und einer Glatze trat hastig vor den Thron. Bei jeder Silbe die er sprach, nickte sein Kopf ungehalten und ein nervöses Augenzucken verriet, dass er unter sehr großem Stress stand. Bewusst, dass seine Verspätung nicht förderlich war.
"Herr...", begann er stotternd. "Ich, ich, ich, ich", er schlug sich selbst fest ins Gesicht um das Stottern zu unterbinden, als er den Blick seines dunklen Herrschers sah. Ihm war klar, dass wenn er nicht ordentlich sprach, ein schneller Tod unweit sein würde.
„Gott ist außer Gefecht!“, platzte es aus ihm heraus und ein zaghaftes Lächeln umspielte seinen Mund als wolle er seinen Meister beschwichtigen.
Grausames Grinsen legte sich auf die Züge von Abraxass, bevor er anfing laut schallend zu lachen. Seine tiefe Stimme lies den kleinen Mann erzittern, dass sich seine Haare sträubten.
„Aber…“, begann er erneut.
„Aber was?“, das Lachen war abrupt gestoppt. Im selben Augenblick, ohne das menschliche Augen es hätten erfassen können, schnellte Abraxas nach vorn und blieb direkt vor dem Mann stehen. Der Windzug, der hinter ihm heranrauschte warf den Mann fast zu Boden. „Aber was?“, schrie er so laut, dass es eher dem Brüllen eines Löwen glich.

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