Nadine war gerade im Supermarkt beim Einkaufen für ihre Mutter, als ihr Handy klingelte.
"Och ne, nicht jetzt.", dachte sie genervt, denn sie packte gerade Tomaten in eine dünne Tüte.
Sie knotete die Tüte rasch zu, ließ sich nicht von dem Klingeln ihres Handys stören, auch wenn ein paar andere Kunden sie genervt ansahen. Erst als die Tomatentüte sicher im Wagen vor ihr verstaut war, nahm sie ihr Handy: Luisa ruft an.
Sie ging dran: " Ja?"
"Nadine...", heulte Luisa ihr entgegen.
" Was ist denn?", fragte Nadine gereizt. Sie hatte so schon schlechte Laune, da sie trotz den vielen Sachen, die sie zu erledigen hatte, auch noch für ihre Mutter einkaufen musste und jetzt heulte auch noch Luisa.
" Sven hat mit mir Schluss gemacht.", schniefte Luisa an der anderen Leitung.
" Oh, das tut mir Leid.", erwiderte Nadine und hoffte, dass es glaubwürdig klang, " Du, ich ruf dich gleich zurück, ich muss jetzt ganz dringend für meine Mutter einkaufen." Wie um ihre Aussage zu bestätigen, ging plötzlich ein Ausruf durch den Supermarkt: "Pola bitte an Kasse zwei."
" Okee", schniefte Luisa, " Ruf mich dann zurück- auf meiner Zimmernummer."
" Ja, mach ich. Kopf hoch.", und Nadine legte auf.
Sie musste sich zurückhalten nicht zu Grinsen. Nein, sie empfand wahrlich keine Trauer darüber, dass Luisa und Sven nicht mehr zusammen waren. Schließlich war sie Hals über Kopf in Sven verliebt gewesen, als Luisa ihn noch nicht mal mit dem Hintern angesehen hatte. Kaum hatte sich Nadine ihr jedoch anvertraut, fande auch sie, dass Sven ein super hübscher Junge war. Dasselbe mit Leon. Und mit Max. Sie verzog ein Gesicht.
Mit allen dreien war Luisa zusammen gewesen. Das nächste Mal musste sie vorsichtig sein, nahm sie sich vor.
An der Fleischtheke bestellte sie Gelbwurst, frische Salami und ein paar andere Würste, die ihre Mutter mit ihrer unordentlichen Schrift auf die Liste geschrieben hatte. Leider ähnelte Nadines Schrift jetzt schon der ihrer Mutter. Unordentlich. Nicht wie Luisas ordentliche Schrift.
Sie verstand Luisa nicht. Jan, Felix, Malte, Stefan...sie alle hatten ihr Interesse offenkundig gemacht und doch fand Luisa sie alle doof, dabei sah zumindest Felix wirklich nicht schlecht aus. Stefan doch auch...
Nadine schüttelte den Kopf. Immer ihre Kerle. Naja, ihre...bis jetzt hatte sie ja (dank Luisa, wie sie immer sagte) keinen Freund gehabt. Dabei waren Leon und sie zuvor schon wirklich gute Freunde gewesen. Das hatte schlagartig geendet, als Luisa und er zusammenkamen und er nur noch Augen und Ohren für seine Freundin hatte. Toll. Als sie dann Schluss machte, weil Leon sie nervte, war Leon wütend und strich nicht nur Luisa, sondern auch gleich mir die Freundschaft. Das hatte mich damals sehr verletzt. Jedoch sagte ich Nichts.
Aus dem Kühlfach fischte ich den Lieblingsziegenkäse meiner Mutter und suchte nach der Milch.
Immer noch in Gedanken an Luisa fuhr ich schließlich mit meinen Einkäufen zur Kasse. Man durfte sie nicht falsch verstehen, natürlich hatte sie ihre beste Freundin gerne. Seit dem Kindergarten. Doch seit das Thema "Jungs" eine Rolle spielte, fand Nadine sie unausstehlich. Denn irgendwie schien das ganze in einen Konkurrenzkampf auszuarten, den natürlich Luisa gewann mit ihrem Aussehen. Nadine schmollte. Natürlich musste ich lange anstehen. Als ich dann, sichtlich mürrisch an der Kasse stand, begrüßte mich eine freundliche junge Aushilfe. Männlich!! Gut aussehend!! Sehr gut aussend!! Mir blieb der Mund offen stehen, während er meine Sachen einscannte. Er fing bei den Tomaten an. Sag was, sag was, sag was verdammt noch mal!!!, schrie alles in meinem Kopf. Doch mir fiel nichts Gutes ein.
Also sagte ich schnell: " Neu hier?"
" Japp, mein dritter Arbeitstag.", grinste er und entblößte perfekte, weiße Zähne. Ich schmolz dahin.
" Das macht dann zweiundzwanzig Euro und sechzehn Cent.", sagte er.
" Wie bitte?"
Er deutete auf das Kassengerät vor ihm. Dort blinkte die Zahl 22,16 Euro auf. " Äh achso ja.", ich wurde rot, kramte mein Portemonnaie heraus und zahlte den Betrag.
" Vielen Dank eine schönen Tag noch. Bis bald.", sagte er.
" Danke...gleichfalls.", stotterte ich und beeilte mich meine Einkäufe in die Tüte zu packen.
Als ich draußen war überdachte ich seine Worte...hatte er wirklich "Bis bald" gesagt? Hieß das, er wollte sie wieder sehen? Ihr Herz hüpfte. Sie würde öfter für ihre Mutter einkaufen müssen. Verdammt!, fiel ihr ein. Sie hatte nicht auf das Schildchen an seinem Hemd geachtet, also kannte sie seinen Namen nicht. "Naja.", dachte sie, "Ich werde ihn schon wiedersehen, spätestens heute in einer Woche." Heute war Montag.
Da vibrierte ihr Handy. Eine SMS von Luisa: "Schatz, wann rufst du an?"
Wenn ich zu Hause angekommen bin., antwortete Nadine in Gedanken aufgeregt. Ich muss ihr gleich von dem süßen Jungen erzählen!
Sie eilte nach Hause und gemeinsam mit ihrer Mutter räumte sie die Einkäufe in der Küche ein.
" Was strahlst du denn so?", erkundigte sich ihre Mutter verwundert, " So glücklich habe ich dich noch nie nach dem Supermarkt erlebt?"
" Ach was, ist doch nichts...", wich Nadine ihrer Mutter aus. Sie war nicht der Typ Mädchen, der alles gleich ihrer Mutter weiter erzählte.
" Übrigens, Luisa hat eben angerufen."
" Ja, ich weiß, sie hat's auch aufm Handy probiert.", erwiderte Nadine: " Kann ich sie jetzt zurückrufen, oder brauchst du noch Hilfe?"
" Nein, nein, geh ruhig. Sie klang ziemlich aufgelöst."
Nadines Mutter mag Luisa, sie würde fast LIEBT Lusia sagen. In ihren Augen ist Luisa die perfekte Tochter: schön, lustig, beliebt. Und sie hatte schon einen Freund. Als Nadines Mutter so alt war wie sie, pflegte sie zu sagen, war sie schon mit ihrem damaligen Freund Thomas zusammen gewesen. Super.
Luisa war auch fast wie eine zweite Tochter, genauso wie Nadine für Luisas. So oft klebten sie aneinander...wenn Luisa gerade Single war.
Wie jetzt. Während Nadine ihre Nummer wählte, fiel ihr wieder ein, wieso sie Luisa eigentlich anrief. Wegen Sven.
Es tutete zweimal, dann antwortete Luisa auch schon durchs Telefon: " Nadine?"
Ihrer Stimme nach, schien sie sich etwas beruhigt zu haben.
" Ja, hallo, ich bin's. Das mit Sven tut mir Leid."
Die nächsten zehn Minuten hörte Nadine sich an, wie Sven Schluss gemacht hat, wie er nur so dumm sein konnte und dann ließ Luisa weitere zehn Minuten Szenen aus ihrer Beziehung revu passieren. Szenen, die vielleicht auch ihre sein könnten...Nadine verwarf den Gedanken, sie war längst nicht so hübsch wie Luisa.
" Wir müssen unbedingt Shoppen gehen.", sagte Luisa frustriert, " Wie früher."
Frustshopping. Immer eine gute Lösung und spaßig.
" Ich muss dir auch was erzählen...", begann Nadine, aber zeitgleich sagte Luisa: " Suchen wir uns einfach neue Typen."
und plötzlich überdachte Nadine meine Entscheidung. Sollte sie Luisa wirklich von ihrem neuen Traumtyp erzählen? Damit es endet wie bei Sven? Oder Leon?
" Was solltest du mir erzählen, Süße?", hakte Luisa nach.
" Ach nichts wichtiges.", entschied sie sich.
" Und, was war los mit Luisa?"
Nadine verdrehte die Augen. Ihre Mutter war ja auch echt neugierig. Alles wollte sie wissen: Wirklich alles. Besonders, wenn es um Luisa ging.
" Ihr Freund hat Schluss gemacht.", erwiderte Nadine ruhig.
" Was? Sven? Nein, wieso?", fragte ihre Mutter erschrocken. Nadine war überrascht darüber, wie gut ihre Mutter über Luisas neuen Freund Bescheid wusste. Obwohl...bei ihrer Neugierde: Bestimmt hatte sie es entweder Nadine, Luisa oder Luisas Mutter irgendwann einmal aus der Nase gezogen.
" Das arme Ding.", seufzte Nadines Mutter mitfühlend, " Willst du nicht zu ihr?"
" Jetzt?", fragte Nadine verdattert.
" Ja! Sie braucht dich sicher jetzt."
" Wir haben uns fürs Shoppen morgen verabredet." stotterte Nadine. Musste sie wirklich jetzt rüber? Luisa würde ihre gute Laune bemerken und sicher nachfragen und wenn Nadine nicht aufpasste, würde sie ihr noch von der Supermarktbekannschaft erzählen. Außerdem verspürte Nadine immer noch kein richtiges Mitgefühl für Luisa und hatte sich schon gefreut, dass sie einen Tag mehr Zeit hatte, um solches vorzugaukeln.
" Ich...", zögerte Nadine, "...möchte sie jetzt nicht stören, sie möchte sicher erstmal mit Sabine darüber reden."
Sabine, Luisas Mutter, war von ihrer Art noch recht jugendlich und man könnte meinen, die beiden wären Schwestern, so ähnlich sahen sie sich. Sabine war auch mehr die "gute Freundin" für ihre Tochter, als die Mutter. So war Nadines Mutter Olga nicht mal annähernd...
" Ja, Sabine wird sicher helfen.", Olga nickte, " Ich denke ich werde sie nachher mal anrufen, ich hab mich ja so lange nicht mehr gemeldet...ich hatte den Kopf ganz woanders, und dann hatte ich so viel Arbeit um die Ohren und du weißt ja...", plapperte ihre Mutter drauf los. Nadine nickte und kämpfte gegen den Drang an, ihre Mutter einfach stehen zu lassen und zurück zum Supermarkt zu laufen. Der Junge ging ihr nicht aus dem Kopf und es wurmte sie immer noch, dass sie seinen Namen nicht kannte. Ein einfacher Ausflug zurück zum Supermarkt würde ausreichen, um seinen Namen zu haben. Hätte sie einmal seinen Namen gab es ja das Örtliche, oder Facebook um Infos und Adresse herauszukriegen. Oh Gott, sie hörte sich ja an wie ein Stalker. Ruhe bewahren, Nadine. Wenn du ihn wieder siehst, gibt es eine Chance, sonst eben nicht. Wie oft hatte sie schon einen hübschen Jungen in der Bahn gesehen und er war nie wieder aufgetaucht? Träumereien brachten meist nichts. Taten mussten her und sie würde sie vollbringen.