Heidemarie ist glücklich. Es hat sich alles so ergeben, wie sie sich es gewünscht hat. Dankbar ist sie über die Erfahrung Mutter zu sein. Diese zutiefst ehrlichen Gefühle waren ihr zuvor fremd gewesen. Auch Olaf ist ein toller Vater.
Und dennoch irgendetwas verursacht einen fahlen Beigeschmack.
Wo ist ihre Entscheidungsfreiheit geblieben? Wann kann sie mal wieder ganz für sich entscheiden? Was ist mit den Haarwaschtagen geworden?
Ihre Mutter hatte früher immer zu ihr gesagt, "Wenn du Kinder hast, bist du nie mehr wieder wirklich für dich allein. Ab der Sekunde der Geburt bist du nicht mehr frei."
Jetzt versteht sie, wofür sie früher Ihre Mutter als verrückt erklärt hat.
Und was ist mit Olaf und Ihr? Sehen sie sich nur noch als Mutter und Vater?
Wieso verlangt das Leben, das Eine auf Kosten des Anderen zu bekommen?
Sie wäre manchmal so gern für sich allein. Die Wohnungstür verschließen und sich einfach verleugnen ... doch dann wäre sie wieder allein. Auf all das verzichten? Einen Tag ohne ihr Mäusezähnchen, ohne ihre Famlie?
NEIN, keine einzige Sekunde. Was ist los mit ihr? Sie hat den größten Schatz auf Erden, eine gesunde Familie.
Sie taucht aus ihren Gedanken auf und ertappt sich dabei, kerzengerade auf ihrer Wohnlandschaft zu sitzen.
Olaf kommt herein, schlendert sich um sie herum und flüstert ihr ins Ohr,
"Ich finde alles prachtvoll!"
Was soll er auch sonst sagen?
"Liebe Heidemarie, ich wäre heute Abend lieber mit den Kollegen noch ein Bier trinken gegangen, als mit dir vor der langweiligen Glotze zu hocken." Sie würde es nicht verstehen; seinen Wunsch auszubrechen. Ein Leben ohne Verpflichtungen. Auf Platte gehen ist eine Idee, die sich immer mehr in seinem Kopf verfestigt.
"Sind die Kinder schon im Bett?"
"Ja, aber sie warten noch auf ihren Gutenachtkuss."
Nachdem er den beiden Kindern schöne Träume gewünscht hat, setzt er sich müde an den Esstisch im Wohnzimmer und starrt auf den Teller. Wie immer hat Heidemarie ihm ein warmes Essen bereitet. Ist genauso ein Einerlei Tag für Tag wie meine Akten.
"Macht dir die Kocherei eigentlich noch Spaß, nach so vielen Jahren?" Welcher Teufel ihn dazu geritten hat, dermaßen plump zu fragen, kann er sich selbst nicht erklären. Als Heidemarie sich räuspert, schaut er langsam zu ihr auf.
Entschlossen antwortet sie.
"Ich habe naturlich auch andere Hobbys. Wenn jeder einen Teil dazu beiträgt, sorge ich gern für meine Familie. Ein ordentliches Zuhause, gesundes Essen tragen zu meinem Wohlgefühl bei.
Ich wünschte, du würdest deine Freiräume für dich nutzen, dann würdest du dich über die alltäglichen Dinge vielleicht wieder freuen?"
Sie setzt sich auf seinen Schoß.
"Morgen sind die Kinder bei deinen Eltern, lass uns was verrücktes machen!"
Siehst du, denkt sich Olaf, und genau das ist unser Problem. Es ist nicht mein Wunsch, etwas Verrücktes zu machen. Es wäre mir viel lieber, wenn wir an solch einem Tag ausschlafen, kuscheln, frühstücken und dann in den Garten faul herumliegen. Ein wenig lesen, herumdösen und nichts tun. Und abends die Kinder abholen und vielleicht noch mit ihnen eine Pizza essen gehen, bevor der Tatort anfängt.
"Können wir machen", sagt er stattdessen. Einen Vorschlag macht er nicht.