Verschwommene Bilder. Schlafende, nein, tote Menschen. Gefesselt von schlangenartigen Schläuchen in Sargähnlichen, gläsernen Gefäßen...sie alle wirkten blass und leblos, wie Spielzeuge hinter ihren Verpackungen...nur sie stand da und starrte auf das leblose Schauspiel vor sich, als ein eiserner Schlangenarm nach ihr griff...
Schreiend wachte sie auf. Sie befand sich in ihrem warmen, weichen Bett und atmete erleichtert auf. Trotzdem war sie beunruhigt. Schon wieder dieser Traum. Was hatte er zu bedeuten? Sie träumte ihn schon seit Wochen, Monaten...länger. Und er wirkte so real, wie als, handelte es sich dabei um eine parallele Traumwelt, in die sie hinüber wanderte, nur um dann wieder in ihrem Bett zu erwachen. Stöhnend stand Mirjam auf um sich einen Kaffee zu machen. Sie versuchte es zu verdrängen, doch ihr Herz wusste, dass mehr hinter dem Traum steckte, als sie vermutete...
"Wer bin ich?", fragte sie sich, nachdem sie den schwarzen Kaffee in ihre Lieblingstasse goß. Sie schüttelte kurz den Kopf, sah dann auf die leuchtende Anzeige ihres Weckers und bemerkte, dass es 01:25 war.
Verloren stand sie in ihrem kleinen Apartment. Sah sich hilfesuchend nach einer Erklärung um, konnte jedoch nur einen Stapel alter CD-Hüllen, mehrere Uraltrechner an einem rostigen Schreibtisch ausmachen. Die Röhrenmonitore waren leblos, schwarz!
Das leise Plätschern von Regentropfen, die ununterbrochen gegen ihr Dachfenster trommelten, ries sie schließlich aus ihren Gedanken.
Sie konnte die einfachste Frage, die sie sich immer und immer wieder stellte einfach nicht beantworten.
"Scheiße", murmelte sie und setzte sich an ihren Schreibtisch.
Wer war sie? Mirjam, das war ihr Name. Das wusste sie! Sie arbeitete Ted's Softwareladen Ecke Vermont und Stanley Ave. Das wusste sie auch!
"Aber warum, zum Teufel, fühle ich mich so leer?", flüsterte sie dem schwarzen Bildschirm zu.
War es denn normal, dass ein Teil in ihr einfach nur tot war? Er gab einfach kein Lebenszeichen von sich und sie wusste ganz genau - und das wusste sie Intuitiv -, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Sie war anders, als die anderen New Yorker, die jeden Tag aufs Neue ihrer Arbeit nachgingen.
"Und dann dieser scheiß Traum."
Mittlerweile war ihre Tasse leer. GENAU WIE MEIN KOPF, dachte sie sich und wollte sich gerade wieder schlafen legen, als sie den grünen, blinkenden Cursor bemerkte, der urplötzlich auf ihrem toten Bildschirm erschienen war.
Verwirrt kniff sie die Augen zusammen, rieb sie mehrere Male, da sie fest davon überzeugt war, noch immer zu träumen. Denn ihr Computer gab kein Lebenszeichen von sich.
Wie also war es möglich, dass ihr Bildschirm diesen winzigen, giftgrünen Cursor anzeigte?
Fragend zog sie ihre Cherry-Tastatur heran und drückte mehrere Male die Esc-Taste. Ohne Erfolg.
"Was soll der Scheiß?", fragte sie den blinkenden Cursor und hämmerte energisch auf sämtliche Tasten, die sie erwischte.
Wieder ohne Erfolg.
Schnaubend stand sie auf und zog den Stecker. Ihr letzter Ausweg, trotzdem blinkte der Cursor noch immer.
Dann plötzlich bewegte sich der Cursor nach rechts. Buchstaben erschienen in neongrüner Schrift.
DU FRAGST DICH WER DU BIST!
Ein erneuter Versuch mit der Esc-Taste diesem Spuck ein Ende zu bereiten, schlug abermals fehl.
ICH KANN DIR SAGEN WAS DICH BESCHÄFTIGT! WARTE AUF MR. LANGTON!
Zwei Sekunden glühten die Buchstaben auf schwarzem Hintergrund, bevor sie erloschen und der Bildschirm wieder tot war.
Ungläubig saß Mirjam in ihrem quietschenden Schreibtischstuhl und blinzelte verduzt auf den Röhrenmonitor.
Ihr erster Gedanke war: Wer ist Mr. Langton?