er hat eine vorliebe für alte wirtshäuser. bei ihm zuhause, dort wo er aufgewachsen ist, gab es ein lokal, das den namen 'zum ewigen licht' trug.
Leider trug es diesen Namen nicht ganz zurecht, den immer, wenn er von einer ausgedehnten Kneipentour nach Hause zurückkehrte und dachte, dort liesse sich noch gut ein Absacker nehmen, war es im "Ewigen Licht" bereits dunkel. So hatte er in den rund fünfzehn Jahren, in denen er viele hundertmal am "Ewigen Licht" vorbeigegangen war, dieses Lokal kein einziges Mal betreten, ja, er wusste nicht einmal, wie es hinter den dunklen Butzenscheiben aussah.
Na ja, dachte er, wenn's schon im "Ewigen Licht" meistens finster war, wird's im "Himmelreich" auch nicht grade paradiesisch zugegangen sein.
Er trat in den Korridor, der mit schwarzweissen Platten ausgelegt war. Rechts befand sich ein Saal. Eine schöne hohe Arvenstube. Die Zeit hatte aber ihre Spuren am Holz hinterlassen. Er war überrascht verschiedene Gemälde an den Wänden zu entdecken. Konnte es sein, dass niemand von ihnen wusste und sie nicht abgehängt und davongetragen worden waren? Auf dem einen Bild, sah man die Lorelay auf einem Felsen am Rhein sitzen. Die schöne Lorelay, welche sich aus Liebe in die Fluten des Rheins stürzte. Dann Bacchus, umkränzt von Reben. Plötzlich rief sein Sohn: "Papa, Papa! Du musst unbedingt kommen! Ich habe etwas entdeckt!"
der kleine junge stand fasziniert vor einer gallionsfigur. kurvig waren ihre brüste, die flosse etwas abgebröckelt, die rote farbe ihres haares verbleicht. ihre augen waren leer. aber sie, dieses stück eichenholz, lag auf dem boden, als hätte sie sich nur für einen moment hingelegt und die ewigkeit an ihr verstrich, wie das aufflackern eines zündhölzchens.
So standen Vater und Sohn vor der Gallionsfigur und der Junge sagte: Papa, sie gleicht Mama!" Diese Bemerkung hat der Vater nicht erwartet, aber als er nochmals in ihr Gesicht sah, merkte er, dass etwas Wahres daran war: "Ja, da hast du Recht Paul. Sie gleicht Mama."
Christian kaufte die Gallionsfigur von dem alten, schon in Rente gegangen Wirt, ab. Sie liessen sie nach Hause transportieren, nach Wien. Auf der Heimreise, im Transportlaster, schwiegen beide und es kam ihnen recht seltsam vor, dass sie dieses Mal aus den Ferien eine Gallionsfigur mit nach Hause nahmen, die zudem noch der Mama glich. Aber irgendwie waren sie beide glücklich, als hätten sie einen Schatz gefunden, der die Eigenschaft hatte, ihnen einen Teil des Kummers über den Verlust von Anna zu nehmen.
Das Leben mit Anna war schön.
Paul stellte jeden Tag seinen blauen Notenständer vor Anna auf und übte die Tonleitern und Anna hörte entzückt zu, so schien es Paul wenigstens.
Und wenn Paul, der Kleine, schlief, setzte sich Christian vor Anna und las ihr Ingeborg Bachmann vor. Sie hörte von Anfang bis Ende zu.
Anna, die Holzfrau hatte eine seltsame Wirkung auf die beiden Männer. Sie war immer da und auch wenn sie aus salzigen, meerigem Holz, war, hatte sie eine Ausstrahlung ihrer Präsenz. Sie war es, die den Knoten in Christians Herz halbwegs löste, wenigstens morgens und der Junge, dieser beschloss, Schiffskapitän zu werden! Zum Teufel mit dem Mond! Kein Astronaut mehr! Aufs Meer hinaus! Hinaus aufs Meer!