"Dann werde ich Dir eine Aufgabe geben, der Du nicht wiederstehen kannst",
"Worauf wartest Du? NA los!", sagte Jan und schaute Eyleen mit erwartender Mimik an.
Eyleen sah herüber zu Joshua und holte Luft.
Eigentlich wollte sie ihn fragen, wieso er ihre Treue auf die Probe stellen wollte, ihn fragen, ob sein Vertrauen zu ihr nicht ausreichte, ihn bitten, es nicht zu tun, doch stattdessen erwiderte sie mit bebenden Lippen: "Ich bin für alles bereit."
Jan sah Eyleen eindringlich an: "Bist du dir sicher?"
Hitze überfiel ihren Körper und sie fühlte sich, wie ein kleines Kind, das beim Lügen ertappt worden war. Ob sie sicher war? Nein! Wie konnte sie auch sicher sein, wenn Jan sie im Ungewissen darüber ließ, worum es bei der Aufgabe eigentlich ging?
Fest stand, dass sie ihn liebt und alles für ihn tun würde, alles um bei ihm zu sein und alles, um bei seiner Gruppe zu sein.
"Ja", erwiderte sie und nickte zur Bestätigung auch noch zusätzlich.
"Gut, denn es gibt keine zweite Chance.", mischte sich Joschua von der Seite ein, doch Jan brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
"Gut, du kennst doch die alte Hütte, unten am See, oder?"
"Die kenne ich. Was ist damit?"
Eyleen zuckte bei dem Gedanken daran zusammen.
Was hatte er vor und Wieso begann er mit dieser Vertrauensfrage.
War nicht Alles zwischen Ihnen im reinen. Sie sah ihn an.
Ein starkes Zittern durchsiebte ihre Muskeln.
Das roch nicht nach einem Anfall des Lustvollen.
Hier geschah etwas, das sie nicht steuern vermochte.
Kleinlaut horchte sie auf. Wild entschlossen, dem Ganzen zielbewusst und
mit einer gepaarten Selbstsicherheit dem bei zu stehen.
"Ich möchte das Du Morgen Abend da bist und auf mich wartest."
Was sagte er. Seiner Worte verschlingend. Stille in ihrem Herzen.
"Morgen? Jan, Du weisst was Morgen ist. Hast Du es vergessen.
Das geht ..."
Da geschah es. Unbeholfenheit übermannte sie. Zerrte an ihrem Gemühtszustand. Alles andere wollte sie für ihn als Vertrauensbeweis erledigen, ausführen, machen.
Was dieser Jan da jetzt tat, versetzte ihr einen Schlag.
Jan wusste genau, was er von ihr verlangte.
Wenn Sie morgen Abend in der Hütte erschien, ...
...würde sie den Abschlussball ihres Bruders verpassen und das bedeutete Krieg. Ihr Bruder Leo und Jan, sie hassten sich. Wann immer Leo und sie über Jan sprachen, immer bat er sie von ihm abzulassen, sich anderen Menschen zu zu wenden. "Jan ist kein guter Mensch", pflegte er ernst zu sagen und manchmal auch ein bisschen zornig, wenn er bemerkte, dass er gegen eine Wand sprach. "Du kennst ihn doch gar nicht", erwiderte Eyleen jedes Mal gereizt. "Gut genug um zu wissen, dass er nicht gut für dich ist."
Eyleen glaubte, dass Leo als Bruder einfach eifersüchtig war, da er bisher immer ihr großer Bruder war und aufeinmal gefiel ihr ein Junge, der sogar noch ein Jahr älter war als er. Sie redete sich ein, dass er bei jedem Jungen so reagieren würde, doch langsam konnte sie seine extreme Abneigung gegen Jan nicht mehr ignorieren. Und ebenso umgekehrt. Wieso machte Jan das jetzt? Wieso verlangte er das von ihr?
Und auch noch in einer abgelegenen Hütte mittem im Wald an einem kleinen Fluss? Eyleen schauderte.
Was blieb ihr nun zu tun? Jetzt den falschen Schritt machen und zu Jan in die Hütte kommen, oder zu Leos Abschlussfeier erscheinen. Ihrer Entscheidung konnte Niemand abnehmen. Jan oder Leo.
Was blieb ihr. Sie musste sich Entscheiden. Spätestens morgen Abend. Von der Hütte bis zum Saal an dem die Abschlussfeier stattfand, lag eine zu grosse Entfernung.
"Was ist nun? Habe ich eine Zusage? Eyleen".
Jan forderte eine Antwort. Rasch. Eine Möglichkeit gab es.
Eyleen sah Jan an. Lächelte, so als berührte sie seine Aufforderung nicht.
Der Vertrauensbeweis ihrer Liebe.
Leo würde ihr Vergeben. Gewiss. In einigen Jahren, vielleicht. Wohlmöglich einige Zeit eher. Ergreifend seiner Hand drückte sie ihn einen Kuss auf den Mund und drehte sich herum.
In diesem Moment kam ihr der eine Gedanke. Marita! Sie war im Stande, das es sich so gestaltete, das sowohl Jan zu seinem Vertrauensbeweis gelangte und Leo nicht in einem Wuterguss über Eyleen hereinbrach.
Da, gab es zuvor diese Hürde zu erklimmen. Miesepeter Stefan, ...
,,, nein, nicht Stefan. Noch nicht. Auf ihn würde sie erst zurück greifen ,wenn sich alle anderen Möglichkeiten erschöpften. Erschöpften... das war ein gutes Wort in dieser Situation. Ihr Leben war doch nicht immer so kompliziert gewesen. Oder? Die Wahlen, die ihr das Leben in den vergangenen Jahren gestellt hatte, haten sich um die richtige Schule gedreht. Den Freudeskreis. Natürlich, dass waren auch wichtige Entscheidungen gewesen, aber das hier... Eyleen fühlte sich erschöpft. Nicht körperlich, aber im Kopf. Was geschah hier gerade? Ja, noch immer wusste sie nicht, was Jan genau mit seiner Forderung bezwecken wollte. Nur eine Provokation gegen Leo. Oder verband er nur das Angenehme mit dem Nützlichen, wenn er sie von dem Abschlussball fern hielt? Und sie wusste noch immer nicht, was sie bei der abgelegenen Hütte, mitten im Wald, an dem kleinen Fluss erwartete.
Oder wieso Joshua hier war und von all dem Zeueg wurde. Nur ein Zufall? Nein, daran glaubte sie nicht. Jan hatte gewollt, dass das hier passierte. Jetzt und hier.
Und...
Würde die Ähnlichkeit zu Marita ausreichen, um entweder Jan oder Leo zu überzeugen? Viele sagten sie ähnelten sich...doch würde ihr einer der beiden das abkaufen? Leo würde sich unmöglich anschwindeln lassen- zu gut kannte er seine Schwester, oder? Außerdem...in dem festlichen, hellerleuchteten Saal würde sie deutlich zu erkennen sein, wohingegen es in der Hütte sicher dunkel sein würde. Ob es dort überhaupt Licht gab? Was Jan nur dort wollte? Sie schauderte es, ihr gruselte es vor der Hütte- wer wusste schon, wer sich nachts dort herumtrieb? Sicherlich würde sie dort im Dunklen sitzen und auf Jan warten müssen, der, wie bei jeder Verabredung auf sich warten ließ. "Das Beste kommt zum Schluss" , pflegte er zu sagen.
Kein Zweifel, wenn sie Marita einsetzen musste, dann würde Marita in die Hütte gehen müssen. Hoffentlich würde ihr nichts zustoßen. Sie wusste, dass Marita ihr diesen Gefallen tuen würde. Sie war ihr noch etwas schuldig.
Doch was würde Jan mit Marita, von der er dachte, sie sei Eyleen, anstellen? Wenn es tatsächlich um eine heiße Nacht in der Hütte ging...das konnte und wollte Eyleen nicht von Marita verlangen. Nun ja, sie kann ja ihre Tage haben., dachte Eyleen. Allerdings glaubte sie eher weniger, dass es sich um eine heiße Liebesnacht handeln würde, Jan hatte nicht danach geklungen und das Funkeln in seinen Augen wirkte auch nicht lüstern. So oder so musste sie Marita in die Hütte schicken und hoffen, dass ihr nichts zustieß. Sie griff nach ihrem Handy.
Wenn sie doch nur wüsste, was Jan vor hatte.
Weiß. Eine weiße Fläche. Mit unzähligen Unebenheiten. Löchern, Buckeln, Höhen und Tiefen. Es war die Zimmerdecke, auf die Eyleen seit Stunden starrte. Während sie auf ihrem Bett lag und mit allem Zwang sich bemühte, nicht über das nachzudenken, was sich nicht aus den Gedanken verscheuchen ließ.
Der heutige Abend. Die Hütte. Jans Pläne. Und ...
Ohne weitere Zwischenfälle war sie gestern Abend nach Hause zurückgekehrt und verbarrikadierte sich seither in ihrem Zimmer. Bloß nicht Leo über de Weg laufen. Bloß nicht an Marita denken. Bloß nicht ... denken.
Vor der Türe liefen Schritte den Gang herunter. Männerschritte, für die es neu eine Quelle geben konnte. Ein paar Sekunden später zerstreute Leos Stimme den letzten Verdacht, als er ein Telefonat führt.
"Hi, ich bins ... Ja ... Das habe ich mir auchg schon gedacht, abver da will ich vorher noch mit ihr sprechen ... Ja ... Ja ... Ja, auf jeden Fall."
Und so weiter und so fort.
Wie geren hätte Eyleen eine Zigarete geraucht, doch die Angst, dass der Geruch sie verraten und zu einem Gespräch mit Leo zwingen würde, hielt sie davon ab. Statt dessen lag sie weiter auf dem Bett und starrte die ecke an. Die Unebenheiten. Löcher. Buckel. Höhen und Tiefen.
Wen solte sie heute Abend zu der Hütte und wen zu der Schule schicken. Ja, Marita hatte zugesagt, aber noch immer wusste Eyleen nicht, wer von ihnen sich wo aufhalten sollte. Hütte oder Schule? Schule oder Hütte? Was, wenn sie, Eyleen, am falschen Ort erschien und nicht dabei war wenn ...
Ja, wenn was? Was wusste sie eigentlich?
Sie wusste, dass Leo auf seinem Abschlussball wollte. Dort würde die übliche Prozedur stattfinden: Männer und Frauen in hübschen Kleidern, hohen Schuhen, Krawatten, mit gepuderten und parfümierten Wangen. Lange Tische würden aufgereiht sein auf denen Kärtchen mit den Namen der Familien stehen würden, damit auch jeder seinen Sitzplatz finden würde. Eyleen kannte die Halle, in der Leos Ball stattfinden sollte, denn es war die Halle, in der sie einst ihren Abschlussball der Tanzschule gehabt hatte. Prächtige Kronleuchter ragten von der Decke hinab und erhellten den ganzen Saal. Ihr Gesicht würde gut sichtbar sein. Leo würde sich niemals von Marita täuschen lassen. Wenn nicht am Abend, dann später auf den Fotos, die der Fotograf oder die Eltern knipsen würden. Eyleen seufzte. In der Hütte war es sicher dunkler- und wenn Jan Kerzen dort aufstellen würde? Trotzdem flackernde Kerzen enthüllten einen Menschen nicht komplett, die Schatten ließen sich nicht vertreiben.
Es wäre einfacher Marita in die Hütte zu schicken, doch genau hier lag das Problem: Sie wollte wissen, was Jan vor hatte, sie selbst und sie hatte Angst, Marita in eine unangenehme Situation zu bringen. Die Hütte war des Nachts sicherlich gruselig. Was, wenn ein Perverser im Wald sein Unwesen trieb? Sie schauderte. Würde sie, Eyleen, denn gerne in die Hütte gehen? Obwohl sie neugierig war, musste sie sich eingestehen, dass ihre Furcht vor der dunklen Hütte im Wald groß war. Natürlich war es einfacher Marita zur Hütte zu schicken und sie hatte gesagt, beide Alternativen seien ihr Recht. Scheinbar kannte Marita das Wort "Angst" nicht.
Am Ende, da war sich Eyleen sicher, würde sie so oder so die falsche Entscheidung treffen. Die Frage war doch nur, welche Konsequenz sie tiefer treffen würde. Die Verachtung ihres Bruders oder die ... von Jan.
Ja, die was eigentlich? Was würde passieren, wenn sie Jan versetzte?
Aber das war es nicht. Jan konnte ihr nichts anhaben. Er konnte ihr etwas viel schlimmeres antun - sie ausgrenzen.In Gedanken sah sie Marita, die ihren Platz einnahm, bei ...
Ja, was eigentlich?
Und Leo? Er war doch ihr Bruder. Geschwister vergeben sich doch ihre Fehler. Warum alos auch nicht er?
Seine Stimme war mittlerweile vom Flur jenseits der Türe verschwunden. Also griff Eyleen zu ihrem Mobiltelefon, öffnete die SMS-Funktion, zögerte noch einmal, um dann zu tippen: ich gehe zu der hütte zu gehst auf den abschlussball. hdl eyleen
Marita verdrehte die Augen.
Jetzt hatte Eyleen schon zum gefühlten hundersten Mal ihre Meinung geändert und ihr immer wieder eine unterschiedliche SMS geschrieben. Die letzte hieß jetzt, dass doch Eyleen zum Abschlussball gehen würde und Marita zur Hütte. Das war Maritas heimlicher Favorit. Sie war gespannt. Was würde Jan in der Hütte vorhaben? Der süße Jan, von dem auch Marita heimlich schwärmte. Was fand er nur an Eyleen? Sie war so unsicher, so verstreut. Ein bisschen in ihrer eigenen Welt. Sie dagegen würde alles für Jan tun. Sogar in die Hütte gehen. Rasch schrieb sie Eyleen zurück, bevor diese ihre Meinung ändern konnte: Ok, es gibt kein Zurück mehr, ich bin auf dem Weg!
Dann schaltete sie ihr Handy aus und zog sich ihre dunkle Regenjacke und die Gummistiefel an. Draußen war es feucht und regnerisch. Besser geschützt sein.
Ihr Herz klopfte schneller: Was würde Jan sagen, wenn er sie sah? Würde er sie endlich richtig wahrnehmen, oder doch nur für Eyleen halten? Zugegeben in letzter Zeit hatte sie sich immer öfter Eyleens Frisuren und Kleidungsstil angenähert. Wenn er eben Jan gefiehl...ihr Bruder Fred nannte sie schon Stalker. Was wusste er schon...
Sie fuhr mit dem Auto bis zum Waldrand, parkte neben zwei anderen Autos. Das eine war leer, im zweiten fielen Schemen wildknutschend übereinander her. Ob es wohl auch so in der Hütte vor sich gehen würde, oder würde Jan einen Auftrag für sie haben? Oder eine Bitte an sie? Oder...? Was wollte er eigentlich?
Eyleen hatte nichts gesagt, aber sie vermutete, dass sie mehr wusste, als sie Marita gesagt hatte. Verärgert biss sie sich auf die Lippen. Sicherlich wusste Eyleen mehr, auch wenn sie es leugnete. Doch in jener Nacht würde sich alles ändern, davon war Marita fest überzeugt, nach jener Nacht würde es Marita sein, der Jan Dinge erzählte und Eyleen würde darum betteln sie zu erfahren, aber Marita würde ihr genauso wenig sagen, wie Eyleen ihr verraten hatte, was in der Hütte passieren würde.
Mit einem Grinsen stieg Marita aus dem Auto und machte sich auf den Weg in den Wald.
Sie wusste, um welche Hütte es sich handelte. Natürlich, ansonsten hätte Eyleen sie nicht damit beauftragen können, an diesem Ort zu erscheinen. Doch daran lag es nicht - jeder Jugendliche in der Stadt kannte "Die Hütte". Abgeschieden an dem See hätte sie mit den Jahren verfallen sollen - doch dies war nicht der Fall. Irgendwer fand sich immer, der hier ein Brett erneuerte und dort ein verfallendes Möbelstück ersetzte. Irgendwer von den Jugendlichen der Stadt. Die die Hütte in den Nächten benutzten, um auf der Matratze zu (ZENSIERT).
Marita blieb stehen. Wer sagte eigentlich, das Jan und sie diese Nacht die Hüte für sich allein hatten. Was, wenn noch ein anderes Pärchen sich dort aufhielt. Und ...
Nein - dafür war es jetzt zu spät. Was sollte sie Eyleen am Montag sagen, wenn sie jetzt kniff. Wie ihr jemals wieder ins Gesicht sehen?
Unsicher setzte sie ihre Schritte weiter aneinander. Entlang der Übergangs von der Sohle zum Schaft ihrer Gummistiefel hatte sich eine Erdschicht gebildet, die mit jedem zurückgelegten Meter an Umfang gewann. Was wohl Jan sagen würde, wenn er sie so sah? Nein, das spielte bei Männern keine Rolle. Solange sie bekamen was sie wollten.
Schließlich tauchten die Lichter der Hütte zwischen den Bäumen auf. Und wenige Schritte später sah sie die Oberfläche des Sees, in der sich die silberne Scheibe des Vollmondes spiegelte. Als ein langer Lichtstreifen, der sich von der Mitte des Sees bis an das Ufer über die Wellen schlängelte.
Sie lief auf das Gebäude zu. Tatsächlich brannte in dessen Inneren Licht. De Strom hatte man hier längst abgedreht, daher mussten die Jugendlichen auf Grubenlampen, Taschenlampen oder - in letzter Zeit angeblich immer häufiger - LED-Leuchten zurückgreifen.