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Margaret kommt in die Bibliothek,
in den Lesesaal. Ich gucke hoch. Die Tür fällt hinter ihr zu, laut, aber ihr macht das nichts. Sie geht zu ihrem Platz und knallt einen Stapel Bücher auf den Tisch. Hier zucke ich zum zweiten Mal zusammen. Ich schaue aus dem Fenster. Möwen, Wind, Regen. Ich schaue wieder in mein Buch. Die Dialektik der Verzweiflung als formschaffendes Prinzip: Überlegungen zu Anton Čechovs Futteral-Trilogie. Margaret steht auf und spitzt geräuschvoll ihren Bleistift über dem Mülleimer an. Sie setzt sich wieder, holt ihre Brotbox aus der Tasche und kaut laut eine Karotte. Danach ein Wurstbrot. Danach ein Knoppers. Dann trinkt sie einen Schluck Cola und rülpst zweimal leise... Ich starre in mein Buch und lese zehnmal den Satz: In gestörtem inneren Gleichgewicht und in ihrem Streben nach einem imaginären Halt erscheinen Čechovs Figuren in einem Zustand, den Sören Kierkegaard mit dem Begriff der Verzweiflung versehen würde. Ich denke: Was macht Margaret jetzt. Figuren in einem Zustand, den Sören Kiergekaard mit dem Begriff der Verzweiflung versehen... Dieser Satz ist nicht kompliziert. Margaret stößt ein drittes Mal leise auf und blättert in den Büchern, die vor ihr liegen. Sie schaltet ihren Laptop an und laut erschallt die Windows-Startmelodie. Dann Stille. Vorsichtig lese ich zwei Sätze weiter. Margaret räuspert sich und tippt in die Tastatur. Ich schaue aus dem Fenster. Margaret blättert in Büchern. Ich lese meinen Absatz wieder von vorne, weil ich nicht mehr weiß, wo ich war. Margaret räuspert sich, beugt sich zu mir her und fragt flüsternd, ob ich zufällig einen Tampon dabei habe. Ich flüstere: Nein. Dann fragt Margaret flüsternd Tanja, dann Rita, dann Ženja. Ich lese die gleichen zwei Sätze. Margaret verlässt den Lesesaal, die Tür fällt laut hinter ihr zu. Ich starre in das Buch, das vor mir liegt.

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Jetzt würde ich doch gern weiterlesen, doch wieder komme ich nicht dazu, denn jetzt flüstern sich Rita, Tanja und Ženja Sachen zu und da ich sowieso schon den Faden verloren habe, muss ich zuhören.
" Wie eklig sie gerülpst hat...", höre ich Rita flüstern.
" ...Und was hat sie überhaupt alles in sich reingestopft?", fragt Tanja angewidert. Ženja kichert.
Ich seufze und lehne mich zurück: So hat das Ganze keinen Sinn. Ich kann mich nicht konzentrieren und nachdem ich Margaret beim Essen zugesehen habe, merke ich, dass auch ich hungrig bin...

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