Glatzenspiel

Episode 5

Nichtmehr ganz betrunken und gerade noch mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davongekommen, sitze ich auf der hintersten Bank eines Nachtbusses und blicke zurück auf einen etwas aus den Fugen geratenen Abend. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, das mich genau diese Ereignisse schon bald einholen werden, aber während der müden Rückbesinnung bin ich unaufmerksam gegenüber den Ereignissen, die direkt vor mir liegen. Für den Moment gestatte ich mir mich kurz zurückzulehnen, meine Augen zu schließen, um in unschuldigem Halbschlaf den Heimweg zu überbrücken.
Ich werde geweckt durch ein Gespräch zweier Personen in der Reihe vor mir. Ihre Stimmen kommen mir bekannt vor und langsam beschleicht mich das unangenehme Gefühl, dass ich selbst der Gegenstand ihres Gesprächs bin.

"Kennst du ihren Namen?"
"Nein."
"Und was nun?"
"Was nun? Also manchmal bist du wirklich der Größte... Idiot. Wir laufen da morgen noch einmal auf und fragen nach ihr."
"Ja klar. Ganz bestimmt rückt er sofort mit dem Namen raus. Ich vielleicht Iddiott, du sein dafür grossses Träumer", ulkt der Mann links vor mir und erntet nur ein wütendes Schnaufen.
Das einzige, was ich von den beiden sehe, sind zwei rasierte Schädel. Etwas, weit in meinem Inneren, hat wohl nicht mit getrunken, schlägt Alarm. Mehr, als noch tiefer hinter die Sitzbank zu rutschen, fällt mir für den Augenblick nicht ein. Ich schließe Ohren und Augen und bin für die Männer nicht mehr vorhanden; hoffe ich.

"Ich werd verrückt", verspricht die Glatze direkt vor meinen Augen. Als die zweite Glatze daneben auftaucht, hoffe ich, ihm vor lauter Angst nicht gleichzutun.
"Mädchen, was haben wir dich gesucht."
"Nun habt Ihr mich ja gefunden", krächze ich. "Und, was liegt an?"
"Du riechst aus dem Hals." Die Glatzen nehmen ihre Köpfe zurück und grinsen.
"Dann sind wir doch ein tolles Trio des schlechten Atems", zische ich böse. Welch ein ungalantes Pack.
"Kann man ändern."
"Und wie?" Jetzt kriege ich was aufs Maul gehauen, denke ich und greife nach meiner Handtasche, um damit auf die blöden Skins einzuschlagen, bevor die wissen, wie ihnen geschieht. Ist eine erfolgsversprechende Taktik, glaube ich, sich mit einem Überraschungsangriff zu verteidigen.
Der Plan ist gut, aber undurchführbar. Ohne Handtasche geht da gar nichts.
"Scheiße! Wo ist meine Handtasche?" Nicht, dass mich in diesem Augenblick die sichtbare Panik ergreift, ich bleibe ganz cool. Die wenigen Tropfen Pippi, die ich wegen der schrecklichen Angst verliere, werden mein Geheimnis bleiben, falls sie mir gleich nicht jedes Geheimnis hinausprügeln.
"Meinst du vielleicht dieses gute Stück?" sagt der eine und wedelt mit meiner nagelneuen, elegant schwarzen Handtasche vor meiner Nase herum.
"Sieht teuer aus", bemerkt der andere und fängt blitzschnell meine Hand ab, die in einem Reflex danach greift.
"Nö, war sie aber nicht. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr sie behalten", biete ich generös ein Fünftel meines monatlichen Bafögs an.
"Ach was. Was sollen wir damit? Weißt du eigentlich, woher wir die haben?"
Gute Frage, denke ich, weiß aber keine Antwort. Also halte ich den Mund und mache auf schüchtern.
"Die hast du vergessen", behauptet der eine Blödmann und der Zweite ergänzt auch noch rotzfrech: "Im Haus der Gastgeber, die du so überhastet verlassen hast, nachdem du ihnen in den Pool gekotzt hast."
Mir ist plötzlich wieder äußerst elendig zumute. Müssen mich diese Triefnasen
ausgerechnet jetzt daran erinnern. Dass die Gattin meines Professors nicht eher ruhen wird, bis ihr Mann mich aus seinen sämtlichen Kursen gejagt hat, darauf kann ich alles verwetten, was ich nicht besitze. Aber das mich die beiden damit jetzt auch noch aufziehen, ist wirklich zuviel.
"Und woher wollt Ihr das wissen?"
"Wir waren auch dort", triumphiert einer.
"Ihr?" Falsche Frage am falschen Ort, weiß ich sofort, als mich zwei Augenpaare wütend anglotzen.
"Hältst dich wohl für was besseres", mault der eine.
"Ja, wir waren da", ergänzt der andere und schmeißt mir meine Handtasche vor die Füsse.
"Für mich war's das letzte Mal, dass ich so einer blöden Tussi 'nen Gefallen tue", wendet er sich an seinen Begleiter. Bevor dieser antworten kann, ruft der Busfahrer die nächste Haltestelle aus. Die beiden springen auf und ehe ich mich versehen kann, sind sie aus dem Bus gesprungen.
Aus meiner Handtasche fehlt nichts, wie ich nach einer kurzen Überprüfung erleichtert feststelle. Die Mitteltür schließt sich zischend und der Bus ruckt an. Leute gibt's, denke ich noch und schlafe ein, kaum dass wir Fahrt aufgenommen haben.

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Summary

Ich habe Angst vor diesen Typen, die mir doch nur Gutes wollen.

Properties

exciting 1

Authors

bigdbigd, H.P.BarkamH.P.BarkamRank 3